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1800—1810.
„Seinem Denkmal" hat Bettina das schönste ihrer Werke ge-widmet: „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" (1835).Zunächst ist das ganz wörtlich zu verstehen: sie hatte ein Denkmaldes Großen modelliert, dessen Errichtung sie zu erleben hoffte; essteht jetzt im Weimarer Museum. Der Dichter, in heroischer Nackt-heit, sitzt auf einem reichverzierten Thronsessel, vor sich die Leier,mit dereu Saiten ein Genius spielt. Aber dann meinte sie es auchsymbolisch: sein Denkmal im Herzen des Volkes wollte sie auf-bauen. Als einen „Befreier" wollte der alte Goethe sich aufge-faßt wissen — „Meister" sei er von niemand gewesen. Aber Be-freier dürften ihn die jnngen Dichter wohl nennen: „denn sie sindan mir gewahr worden, daß, wie der Mensch von innen herausleben, der Künstler von innen heraus wirken müsse, indem er, ge-berde er sich wie er will, immer nur sein Individuum zu Tagefördert." Gerade so faßt ihn Bettina auf, und sie zuerst, und siefast allein: als den Befreier, der uns Mut giebt, von innen herauszu wirken. Indem sie um die wenigen Briefe, die sie mit Goethewirklich gewechselt, um die Worte, die sie bei fünfmaliger Begegnungausgetauscht, eine hohe Laube voll blühender Blumen, voll Bogel-gesang und graziöser Zierate aufbaut, wird er ihr zum Geniusder Selbstbefreiung, löst er ihr die Zunge sür alle Erlebnisse ihresreichen Herzens. Ebenso hat sie dann in zwei anderen Schriftenihre beste Jugendfreundin und ihren Bruder Clemens in den Mittel-Punkt gestellt: „die Günderode " (1840) und „Clemens BrentanosFrühlingskranz" (1844). Diese drei Werke gehören zusammen, undsie verbürgen Bettinens Unsterblichkeit. Mit den Briefen ihrerKorrespondenten geht sie um wie Arnim und Brentano mit denVolksliedern: sie erweitert, sie verändert, sie setzt um, aber immernur, um den Charakter des Ganzen, wie sie ihn auffaßt, destoklarer hervortreten zu lassen. Die geistige Gemeinschaft zweier hoherNaturen will sie malen nnd bildet so aus den fingierten Briefendes „Werther " und des noch viel näher stehenden „Hyperion" undaus wirklichen Briefwechseln wie dem Goethes mit Schiller einedritte, ganz originelle und echt romantische Art von Briefroman.„Die Günderode war mein Spiegel", bezeugt sie später; „an ihrließ ich jeden Ton widerhallen nnd bezeichnete sie mit meinenEmpfindungen und Eindrücken." Freuudin oder Freund müssenihr helfen, die in ihrer Brust gewaltig wogende Empfindung zulöseu. Hat ja doch Jacob Grimm gemeint, der Brief sei eigentlich