Die schwäbische Schule.
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in dem es spukte; und eine unendliche Gastfreundschaft zog vonallen Ecken Deutschlands Gäste in das berühmte Kernerhaus, denstillen Uhland und den lebhaften Freiligrath, den liebenswürdigenMörike und den prätentiösen Lenau, Auerbach und Julius Mosen ,Varnhagen und Anastasius Grün , dazu Prinzen und heimatlosePolen , den Gründer des Deutschkatholizismus Ronge und denBischof von Rottenburg . Da wurde der Dichter der Griechenliedermit einer griechischen Fahne begrüßt; da sah Geibel Geister anseinem Bett, und Theobald, der Sohn Kerners, trug dem OberstGustavson, dem entthronten König von Schweden , den Ranzen nach.Kerners Gattin, das „Rickele", machte es anspruchslos behaglich,und wenn Vater und Sohn eine Psannekuchenreise durch Weins-berg gemacht hatten, kamen sie doch schließlich zu dem Urteil, dieMutter backe die besten. Oft reichte der Platz kaum, wie einst inEutin bei I. H. Boß, wenn seine Prächtige Ernestine die Gäste aufdie Folianten des Schulmeisters setzen mußte; aber nie ging dieStimmung aus. Liebe und Wohlwollen, Naturfreude und heitererErnst erfüllten hier jeden Tag mit neuer Poesie.
Und so ist es nicht zu verwundern, daß Kerner diese Poesieder Lebensstimmung genügte und ihre Ausprägung ihm kaum derMühe wert schien. Wie er die Liebesbriefe, die er feinem geliebtenNickele schrieb, mit lässiger, metrischer Umformung in die Gedichtevon Andreas an Anna verwandelt hat, so war eigentlich all seineDichtung nur ein sorgloses Aussprecheu tief gefühlter Empfindungenin bequemster Form.
Das war nun ein übles Beispiel sür die „schwäbischeSchule". Zwar wollten die Dichter, die man dahin rechnet, vondieser Benennung nichts hören; nur die Natur sei ihre Meisterin.Dennoch wird es wohl dabei bleiben, daß man von dieser Schulespricht. Die persönlichen Beziehungen, das Heimatsgefühl, diegemeinsame Ablehnung fremder Tendenzen, wie vor allem derdes „jungen Deutschlands ", das bindet die Gruppe zusammen.Uhland gehört nicht ganz zu ihr; er wächst aus ihr herauswie der Palmbaum aus dem Treibhaus. Aber Gustav Schwab (1792—1850) ist ganz gewiß ein „Schüler" Uhlauds undKerners. Er ist eine liebenswürdig wohlwollende Natur, wassie fast alle sind; er ist ein allzu produktiver Reimer, was mehrerevon ihnen sind; er besitzt nicht das geringste Verständnis für dieinnere Form der Ballade, was alle die kleinen Dichter der Gruppe