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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Ludwig Uhlnnd.

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Aber Ludwig Uhland (17871862) selbst ist ein Vollen-der, kein Neuerer, kein Eroberer. Seine politischen Gedichte könntenihm diesen Rang noch am ersten sichern; aber ihre Zahl verschwindetneben der der Balladen und anderer, zumeist lyrisch-epischer Dich-tungen. Eine ungemeine Klarheit zeichnet diese aus. Es giebtvielleicht keinen zweiten Dichter, bei dem so verschwindend seltenein unreiner Ton begegnete. Die Form widerstreitet bei Uhland nie dem Inhalt, wie so oft bei Chamissos Terzinen und RückertsVersgebäuden, für dasEthos" jedes einzelnen Metrums hat derDichter ein feines Ohr. Uns will manchmal nun freilich alles zuklar und korrekt erscheinen. Wir wissen, wie sorglich der Dichterfeilte und feilte, wie unermüdlich er ein Gedicht wieVsr s^erum"umgoß; hat er doch selbst seine berühmte Kaiserrede in der Panls-kirche (es wird kein Haupt mehr leuchten über Deutschland , dasnicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt ist")wieder und wieder umgeschrieben, ja keinen Brief ohne Entwnrfabgesandt! Diese reine, klare, restlose Durcharbeitung lag aber inseiiler ganzen Natur; sie ist deshalb sein Recht, wie die Technik desBcato Angelico das Recht des frommen Malers war.

Dann aber: bei allerReinlichkeit" der Umrisse hat doch jedesBild seine individuelle Atmosphäre, wie ein Gemälde von Moritzvon Schwind .Schäfers Sonntagslied" bildet zuSchäfers Klage-lied" von Goethe kein uiNvürdiges Gegenstück. Jedes einzelne der kleinenepigrammatischen Frühlingslieder eine besonders von Karl Mayerkultivierte Specialität der Schule zeichnet eine andere Frühlings-stimmung. Das innig bewegte WanderliedHeimkehr" malt dieEmpfindungen des ungeduldig Zurückkehrenden mit einer Kraft, dieman dem Dichter der spielendenEinkehr" kaum zutrauen würde.Ein Angenblicksbild wieSchlimme Nachbarschaft" könnte Goethe nicht lebendiger mit dem Gehalt des individuellen Moments er-füllen. Und die Balladen gar! die bieder-heitereSchwäbischeKnnde" und die klirrende und blitzende Königin der UhlandschenBalladen:Taillefer"! Ist es etwa Zufall, daß ueben HeinesLorelei gerade derGute Kamerad" undDer Wirtin Töchterlein"zu Volksliedern geworden sind? Uhland hat eben den alten Volks-liedern ihren Tonfall, ihren Aufbau abgelauscht und getreu wieder-gegeben, was er gehört hatte.

Der poetische Horizont Uhlands ist kein weiter. Ihm ist esnnr wohl auf dem Boden seiner Heimat und seiner Studien:

Meyer, Litteratur . 4