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sie auch Grillparzers Sappho ausspricht, führt aber zu einemüberraschenden Schluß. Als der Genius den Dichter selbst höhnischfragt, was denn er durch seinen Idealismus gewonnen habe, daruft er Shakespeare uud Goethe an und antwortet: „den festenMut, die Wirklichkeit zu tragen". Mit dieser tapseren Wendungaus idealistischem Enttäuschungspessimismus zum entschlossenen Lebenin der wirklichen Welt erhebt sich Zedlitz über sich selbst. In derInspiration großer Toten ist der eklektische Durchschnittsdichter ein-mal zum Propheten geworden nnd zum Verkünder einer Wahrheit,die seine Zeit noch nicht begreifen wollte.
Auch nicht die beiden großen Dramatiker Österreichs . Auchfür sie ist die Schlnßmoral ihrer Weltbetrachtung: Lebe außerhalbder Welt! Die Wirklichkeit ist zn schwer für ein edles Herz. MagRaimund die ideale und die reale Welt im Spiel verschmelzen,mag Grillparzer sie schroff einander gegenüberstellen — ihr End-wort bleibt immer der Rnf Rustans im „Traum ein Leben":
Breit es aus mit deinen Strahlen,Senk es tief in jede Brust:Eines nur ist Glück hieniedcn,Eins: des Innern stiller FriedenUnd die schuldbefreite Brust!Und die Größe ist gefährlich,Und der Ruhm ein leeres Spiel?Was er giebt, sind nicht'gc Schatten,Was er nimmt, es ist so viel!
Beide sind sie Dichter der Entsngnng; beide sind sie Dichter derLcbensflucht. Chamisso, dem des Innern stiller Frieden auch überalle Schätze ging, hat doch dabei den Mut besessen, in der Wirk-lichkeit „resolut zn leben". Grillparzer und Raimnnd hatten ihnnicht. Melancholisch ist der eine, verbittert der andere gestorben —beide unter Erfolgen nnd Triumphen. Das Leben hat sich anihnen für ihre Verachtung gerächt.
Raimnnd und Grillparzer sind ein untrennbares Paar.Beide Wiener durch und durch, beide von der erstaunlichstenSicherheit der Bühnenbeherrschung, beide dankbare Bewundererder Musik und selbst Komponisten, beide der packendsten Anschaulich-keit und des märchenhaftesten Zaubers Herr, beide witzig und beideehrgeizig — beide nur hier, nur jetzt, nur so möglich, wie siewaren. Beide sind dem deutschen Publikum noch lange nicht dasgeworden, was sie ihm sein sollten; und vor allem in Nord-