Grillpnvzers Märchcndnimcn,
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Einschlafen sah. Alle Gestalten des Traumdramas sind somit vonRustans Phantasie aus den Personen, die er wirklich kennt, um-gebildet. Dabei haben sie aber doch alle etwas ganz Neues, alleetwas Traumartiges. Und noch stärker wahren die Ereignisse dasallgemeine Kolorit des Traumes. Wie wir nichts öfter träumen,als einen schweren schrecklichen Fall in den Abgrund, so ist geradedies die Form von dem wirklichem Ende des Mannes vom Berge,die sich an Rustan zu wiederholen droht. Traumhaft wirkt auchdie typische Wiederkehr der dumpfen Worte „Zu spät!" So um-fängt uns selbst wie auf der Bühne den Träumer im Bett eineAtmosphäre des Traumes. Die Umrisse verschwimmen uns: sehenwir Ereignisse dargestellt oder nur Traumbilder von Ereignissen?Einmal reißt der Schleier — und der Zuschauer, nun aufgeklärt,hat das wohlige Gefühl, klüger zu sein als Rustan, der an all dieTraumbilder uoch glaubt. Dies trägt uicht wenig zur sicherenWirkung des Stückes bei. Dann am Schluß das befreiende Auf-atmen: „Alles war nur ein Spiel!" Der idyllisch-versöhnlicheSchluß, der Rustan auf sein rechtes Feld zurückführt, die schwung-vollen Lehrworte, der Gesaug des Terwischs — technisch Voll-kommneres hat Grillparzer nicht geschaffen und kein anderer Dra-matiker der Welt.
Ein Märchendrama ist aber auch die großartige Trilogie„Das goldene Vließ ", 1818 zuerst angefaßt, 1820 vollendet.Das Vließ selbst wirkt wie eins der verderbenbringenden Attributeim Märchen, wie der Dolch in der „Ahnfrau"; und doch ist auchhier der uralt mythologische Schauer, der sich au solche Gabenknüpft, menschlich vertieft und psychologisch erklärt. Der Kasten derPandora, ein Goldschatz, von dem die römischen Krieger erzählten,der Nibelungenhort, sie alle bringen Verderben durch einen an siegeknüpften Fluch. Eiuen solchen Fluch heftet auch das Vorspiel andas Vließ: Phrixus , schändlich ermordet, als er Gastfreundschaft an-fleht, legt ihn auf sein Panier. Er selbst ist durch ein Götterbild hier-hergelockt worden und stirbt nun zu dessen Füßen — eine Fatalitätdes Ortes wie in manchen Schicksalstragödien. Hier ist noch alleswild, dunkel, märchenhaft, viel mehr als im „Tranin ein Leben", in deinim Grunde nur dies märchenhaft ist, daß wir Znschauer die Traum-bilder Nustaus erblicken. Aber in den „Argonauten " und „Medea"ist es nicht sowohl die unheilbringende Kraft des Vließes, was ver-nichtet, als vielmehr der Glaube an sie. Die dunkle Vorstellung,