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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Die Liebe bei Gnllparzer.

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entzückt, bei der kleinsten Abweichung aber nur um so heftiger zu-rückstößt." Am härtesten aber drückt der blutig gransame SchlußderJüdin " diese Art des Dichters' aus; der König sieht an derLeiche all jene blühenden Züge nicht mehr, die die stete Beweglich-keit ihrer überströmenden Lebenskrast ihm vorgetäuscht und wendetsich geheilt ab. Das Bild der Jüdin wirkte fast wie ein zauber-kräftiges Amulett; der prüfende Anblick der Wirklichkeit löst allenZauber.

Das ward Verhängnis für Grillparzers Leben viel mehrals alle Beamtenmisere. Er hat wiederholt geliebt; er ist heiß ge-liebt worden. Die Dichter der früheren Generationen wurden schöneGreise: Goethe, Tieck, selbst Chamisso; Grillparzer war im Alterein schmales Männchen, in dessen schies gehaltenem Kopf nur nochdie lichtblauen Augen einen Strahl des Inneren erglänzen ließen.So schritt er Tag für Tag zu feinem einsamen Mittagstisch imMatschakerhof, wie Schopenhauer, von seinem Hnnd Atman (Welt-seele") begleitet, zum Englischen Hof in Frankfurt , zwei mürrischealte Junggesellen, die ans der Jngend beide noch die Reizbarkeitgerettet hatten nnd die peinliche Sorgsalt der Erscheinung; wieIbsen, dem er ähnlich sah, strich sich Schopenhauer Haar und Bartnicht ohne Eitelkeit zurecht. Sie waren beide in der Jugend keines-wegs Platoniker gewesen, sie wurden es nicht einmal im Alter.Aber Schopenhauern hat die Philosophie und Grillparzern diePoesie das ruhige eheliche Glück verdorben, für das dieser min-destens oft geschaffen schien. Er war als junger Mann mit seinemblassen, interessanten Gesicht und seinen dunkelblonden Locken nichtsweniger als ungefährlich; er sprach bei aller Schürfe äußerlichsanft, wie Nietzsche . Noch von dem Greis berichtet Laube:Erversteht so leicht und fein wie ein geschmeidiger Frauenverstand, erantwortet so plötzlich und schalkhaft wie ein Mädchen, er drückt sounwillkürlich seine Besorgnis aus wie ein weiblicher Mund." Einjunges Mädchen verliebte sich in ihn und bat sterbend in einemrührend schlichten Testament ihre Eltern, für ihrenTasso" zusorgen. Er blieb kühl und machte später die ErzählungEin Er-lebnis" daraus. Mit der wunderschönen Gattin des Malers Daf-finger, mit einer anderen verheirateten Frau unterhielt er Lieb-schaften; inniger war das Verhältnis zu seinerewigen Braut"Katharina Fröhlich , die er mit ihrem hübschen Lockenkopf in denOttokar" aufgenommen hat. Und doch auch hierwir glühten,