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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18101820,

aber ach! wir schmolzen nicht". Das Ideal, das jeder Teil ausdem anderen herausmodelte, wollte nicht zur Wirklichkeit stimmen;immer wieder gerieten sie auseinander, und es mutet mehr tragischals versöhnend an, wenn der Greis dann zuletzt zu Kathi undihren alten Schwestern zieht und in den Armen der siebzigjährigenBrant verscheidet.

Sogar das mildeste, am meisten optimistische Werk Grillparzers,die höchste seiner Märchendichtuugen,Libnssa", trägt das Merk-mal dieser ständig wiederholten Lebenserfahrung. Selbst die Hohe-priesterin der Versöhnlichkeit geht enttäuscht von hinnen. Drei hoheZauberschwestern wohnen in Einsamkeit, des letzten Herzogs vonBöhmen Töchter. Nach seinem Tode ergeht an sie die Berufungdes Volkes. Die älteren entscheiden sich, in stolzer Stille dervita evlitemplativa zu leben, der Betrachtung des Ewigen undseiner Gesetze; die jüngere solgt der Thatenlust und der Liebe zuden Menschen. Wie Hölderlins Hyperion steigt sie zn dem Volkeherab,da begann Zarathustras Untergang". Wie ihre Sagen-schwcstern, die Naturgottheiten Undine und Melusine der Melusine hat Grillparzer ein interessantes Opernlibretto geweiht, verliebt siesich in einen irdischen Mann. Sie will sich selbst die Verbindung er-schweren, indem sie eine geheimnisvolle, rätselhafte Bedingung auf-stellt, wie sie bei Raimund im Schwange sind; doch Primislauserfüllt sie. Er wird ihr Herr. Dem Volke geuügt die milde Haudder Fürstin nicht; vergeblich warnt sie wie der Prophet Samueldas Volk vor dem König. Ihr wird der Geliebte zu teil, demVolke der erwünschte Herr. Es ist zum Segen: er ist weise, er istgerecht und, was mehr ist, gut. Aber die Poesie entflieht vor seinerKlarheit. Die Stadt verdrängt das idyllische Leben des Landesund treibt selbst die großen Naturkünderinnen, Libnssas Schwestern,von dannen; die Völker trennen sich und werden eins des audereuNebenbuhler; der Mensch vergißt die hohe Stille des Sabbathsund kennt nur noch rastlose Arbeit:

Tann, wie ein reicher Mann, der vhne Erben,Und sich im weiten Hause fühlt allein,Wird er die Leere fühlen seines Innern . . .Dann kvmmt die Zeit, die jetzt vorübergeht,Die Zeit der Seher wieder nnd Begabten.

Mit hohen Worten kündigt Libnssadas dritte Reich", das soviele Propheten schon vorausgesehen, das Lessing und Heine und Ibsen