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1810—1820,
Typen der Spanier, von ihrer konventionellen Redeweise, von ihrenüberraschenden Intriguen besitzt sie nichts. Der König, in Tugenderzogen und verheiratet, sehnt sich unbewußt nach frischem Leben.Es begegnet ihm gleichsam verkörpert in Rahel, die die Angst lindAufregung noch verschönert:
Sahest du nie die Schönheit im Augenblicke des Leidens,Niemals hast du die Schönheit gesehn.
Er ist verzaubert. Nichts kann den Bann brecheil, selbst Rahelskindische Schwächen nicht, selbst nicht ihre Umgebung, der brutalhabsüchtige Vater, die traurige Schwester. Der König vergißt seinePflicht, das Land empört sich, die Königin rafft sich auf, heraus-zutreten aus ihrer nonnenhaft-steifen Zurückhaltung. Rahel stirbt.Und ihr Tod löst den Zauber. Nun erkennt der König, daß erbegehrte, waS er nicht begehren durfte:
Wer andern zu befehlen strebt,Mnß fähig sein, viel zu entbehren.
Wie im „Treueu Diener" verzeiht er den entschuldbare» Aufruhrund wird in heroischer That sich reinigen wie seine Ritter. Estheraber, die ihm fluchen wollte, der an ihrer Schwester Tod schuldwar uud nun „iu prunkendem Vergesseil" davongeht — sie sprichtauch ihrerseits Verzeihung aus, denn wie im Lande der Täuschungleben wir alle im Lande der blinden Gier, und alle bedürfen wirder Gnade.
Rahels Bild gehört zum Vollkommensten, was die dramatischeLitteratur besitzt. Die bezauberude Macht der inhaltslosen Ver-änderlichkeit ist nie wahrer geschildert worden. Sie hat den Königwahrhaft geliebt; aber mit ihm zu spieleil, war ihr Natnrbedürfnis— ihm, von ihr gereizt, gequält zu werden. Auch in dieser Selbst-erniedrigung des Königs steckt etwas von jener Askese der Demut,die Grillparzer mit so vielen seiner Gestalten teilt. Die Königin,„eine steife, kalte Engländerin", liebt den König anch nnd weiß esihm so wenig wie Rahel zu zeigen: quält ihn Rahels wildeKoketterie, so bringt Eleonorens enge Spröde ihn zur Verzweiflung.Er ist doch Spanier, und spanische Luft liegt über dem Ganzen,in dem respektvollen Ton, in dem die Aufrührer vou ihremKönig reden, in Manriqnez' Ehrbegriff, lind doch erhebt sich dashistorische Drama weit über zufällige Bestimmung von Zeit undOrt zu typischer Bedeutuug.