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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Die Jüdin von Toledo".

Sappho ".

Am stärksten ist diese in der Gruppe der klassicistischenDramen ausgeprägt. Es ist die kleinste; aber sie umsaßt dreiMeisterstücke.

BeiSappho " (1818) hat der Dichter mit seltener Deutlichkeitausgesprochen, was ihn anzog:ein Charakter, der Sammelplatzglühender Leidenschaften, über die aber eine erworbene Ruhe, dieschönere Frucht höherer Geistesbildung, das Zepter führt, bis dieangeschmiedeten Sklaven die Kette brechen und dastehen und Wutschnauben". Das also ist Sappho . Sie hat sich zur großenKünstlerin geläutert nun ist sie dort so wenig glücklich wieTasso oder Byron in Zedlitz' Toten kränzen:

Gar ängstlich steht sich's auf der Menschheit Höhn,Und ewig ist die arme Kunst gezwungen,Zu betteln von des Lebens Überfluß!

Wie Alfons will sie die Krone der Auserwählten mit dem Glückder Vielen vereinigen. Aber eine strenge Scheidewand ist befestigt,unerschütterlich. Phaon sieht neben ihr ein hübsches, unbedeutendesDing, aber jung, aber liebenswürdig und sie gehören einander.Sappho aber will ihre Krone wahren, rein soll sie bleiben vomSpott der Überklugen; uud stolz springt sie ins Meer. Wie inNausikaa " nach Goethes Plan zerstört die Beschämung ihr dieLebenskrast: sie will nicht leben, wenn ihr reiner Ruhm, der Lohneines ernsten Lebens, nicht mehr blüht.

Schwerlich schwebten dem Dichter hier lebende Modelle vor.Um so mehr enthält der Gegensatz von Sappho und Melitta typischeWahrheit; Heyse hat ihn in der NovelleZwei Gefangene" erneuert,eiue Verfasserin der jüngsten Richtung, Ernst Rosmer , inWir Drei"charakteristisch genug ebenfalls doch mit entgegengesetzter Lösung;hier geht Melitta an Sapphos Erscheinen zu Grunde. Phaonist nichts Besonderes, soll es nicht sein: ein hübscher, enthusiastischerJüngling, irgend einer von denen, an denen die begeisterten ein-samen Frauen so leicht ihr Verhängnis erfüllen: George Elliottszweiter Gatte, oder gar der Jägerleutnant der armen LudmillaAssing es ist ein ewiger Typus.

Des Meeres und der Liebe Wellen" (1831) hat mandie schönste deutsche Liebestragödie genannt; ich glaube, mit Recht.Auch hier ein uralter Stoff, auch hier typische Verhältnisse: diePriesterin, die in ihrer strengen selbstischen Überhcbung verkannte,welche Leidenschaft im Menschenherzen wohnt, und die nun nach

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