84 1810—1820.
süßem mädchenhaftem Zögern dem schönen Jüngling in die Armesinkt. An seinem Tode stirbt sie. Zu wehren weiß sie sich nicht,gegen die süße Liebe nicht und nicht gegen das harte Gesetz; aberihr Herz, von zu viel Spannung der frommen Begeisterung, derLeidenschaft, des Schmerzes überwältigt, bricht. Und vielleicht meintder Dichter, die armen einfachen Eltern, gedrückte Leute, die sichdas Leben verkümmern, er mit seiner Härte, sie mit ihren Klagen— sie seien in ihrer stillen Beschränkung glücklicher noch als diehohe Priesterin der Liebe ward. Wir glauben es nicht; wir hörenfast frendig das Wort, daß sie zurückgekehrt sei zu den Ihren —wie Libussa heimkehrt.
Nur ein Fragment ist „Esther" geblieben, aber der reichsteneins in der traurig großen Sammlung dramatischer Fragmente erstenRanges, die unsere Litteratur besitzt: „Prometheus", „Nausikaa ",„Pandora", „Demetrius", „Robert Guiscard ". Die Charakteristikdes auf der Höhe vereinsamten Königs ist voller Kraft, die deseinfachen Mädchens aus dem verachteten Volk voll Reiz; wie so oftweiß auch hier der Dichter für die Überwindung mädchenhafterSchüchternheit neue, zarte Farben zu finden. Aber auch hier solltedas hoffnungsvolle Begehren nicht als Idyll enden. Im Glanzsollte Esthers Herz sich verhärten und an dem König, wie anOttokar, die Verstoßung der ersten Frau sich rächen. Sie regiertihn — es war dabei wohl an die von Grillparzer oft er-wähnte dritte Gattin Metternichs, eine „temperamentvolle Ungarin"gedacht —, aber die Notwendigkeit, sich seinen Launen anzupassen,macht auch ihr die Höhe, die ihr nicht zukommt, zum gläuzeudenElend. Stärker als je sonst nähert sich der Dichter hier der Tragi-komödie. Haman ist durchaus grotesk aufgefaßt, und sein Wort:„Doch ist die Wahrheit selbst mitunter nützlich" bietet zu denÜbertreibungen des Bischofs von Chälons das Gegenstück. Auchdie Höflinge mit ihren schnellen Änderungen sind der typischenCharakteristik der Posse oder Zschokkes angenähert. Und dennochweiß Grillparzer für diesen Haman, der nun einmal ohne Gunstnicht leben kann, zu interessieren, während der überweise Mardochaimit seinen rabbinischen Beweisführungen uns fern bleibt.
Dicht an die Dramen schließt sich Grillparzers größte Erzäh-lung „Der arme Spielmann " (1848). Scherer hat dies von allenWerken des Dichters am tiefsten ergriffen. Anch ist es voll rührenderStimmung; der Dichter, der sonst fast nur das Eleud der Sieger