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1810—1820,
gabter Dilettant, machte sein Glück, als er 1821 das große Fest-spiel veranstalten dürfte, bei dem der Hof dem Großfürsten Nikolauszu Ehren Thomas Moores „Lalla Rookh" in lebenden Bildernstellte. Für Adolf Menzel ward nicht lange darauf die Zeichnungder Bilder zu dem Hoffest der „Weißen Rose " der Anfang seinerLaufbahn als künstlerischer Hoshistoriograph der Hohenzollern . Manglaubte das Leben dem Spiel auf der Bühne annähern zu müssen.Aus dem nächsten Zeitraum, da dies Maskieren der Wirklichkeitaus der Hauptstadt in stillere Gegenden geflohen oder nur dortnoch kräftig geblieben war, schildert Gutzkow (1838) die romantischeWelt der Assings, zweier Nichten Varnhagens, von denen einespäter dessen Nachlaß mit nur zu rüstigem Eifer herausgab:
Bei den Töchtern herrschte der Genuß phantastischer Reproduktion vor,eine wahre Schwelgerei im Erlebten, im Erzählten. Fast alles mußte vordie Phantasie treten, uud beiden trat dann zuweilen etwas mit gleichenBildern und zu gleicher Zeit vor ihr Auge, wo es dann genug über diegeistige Zwillingschaft zu lachen gab. Eine sagte wörtlich dasselbe, wie dieandere. Es handelte sich um ein ewiges Verschönern der Welt, ein stetesWegstoßen des Häßlichen. Kein Schiff, das gerade vvriibersegelte, wennwir in Flottbecks Baumschatten weilten, blieb ohne Befrachtung vou Träume-reien; sicher ging es nach Indien, sicher ins Land der Palmen, zu jenenblauen Seen hin, wo sich die Flamingos badeten. Alles Gemeine, allesAlltägliche verschwand hier vor Blicken, die nur das Schöne oder das Ent-gegengesetzte, Störende sahen und die Menschen und die Dinge in potenzierendeund depotenzierende einteilten. Heute verkehrte man sich die Welt in dasZeitalter der Troubadoure, morgen stellte man sie vor den Vexierspiegeldes schattenlosen Peter Schlcmihl Adelberts von Chamisso . . .
Man muß diese und ähnliche Genrebilder aus der Gesellschaft imAuge behalten, um ganz zn ermessen, wie viel für die große Auf-gabe noch zu leisten war, die Goethe erfüllt, die die Nomantikverhöhnt hatte: das wirkliche Leben der Poesie zu erobern!
Aus so romantischen Stimmungen gingen die „Müllerlieder"(1818) unseres Dichters hervor. Hier ging die Saat der Romantikblühend auf. Sie hatte gelehrt, man solle sich die einfachen,schlichten Tone des Volkes aneignen, solle herausdichten aus derSeele des Volkes. Sie hatte auf den unschätzbaren Reichtum unsererälteren Poesie hingewiesen, und neben dem eigentlichen Volksliedhatte das „Wunderhorn" auch das „Gesellschaftslied" des siebzehntenJahrhunderts ausgegraben, das so zu sagen ein Volkslied für engereKreise war. Solche Gesellschaftslieder hat Wilhelm Müller fortanfast ausschließlich verfaßt: Gedichte aus den Papieren eines reisenden