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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18201830.

Dieser Hintergrund der Philistrosität ist, wie sür die Romantik,so sür Heine und Platen, Annette von Droste und Jmmermannüberall hinzuzudenken. Wie in den Tagen der Tieck und Hoffinaunerweckt er die Reaktion der Wenigen gegen die Vielen. Auch beiden Dichtern, wie bei dem großen Pnbliknm, das sie jetzt alle ver-achten, wird die Romantik eine neue Macht. Heine und Jmmer-mann haben sich durch ihren Einfluß durchzukämpfen, Platen hatihre Wirkung auf die Lesewelt zu erschüttern.

Die lesende Menge und die aufblühenden Dichter treffen zu-sammen in der Verehrung des Genies. Nicht nur Schiller, auchGoethe wird an den litterarischen Theeabenden mit Eifer gepriesen.Aber der eigentliche Mann der Zeit ist Napoleon . Sein Bildhängt, wie Herwegh noch 1841 klagt, in allen Hütten; das Liedauf Bertrands Abschied, das den Edelmut feierte, mit dem Napo-leons General ihm nach St. Helena folgte, war neben demJung-fernkranz" das populärste Stück für Gesang und Drehorgel. Heineund Zedlitz nahmen die Stimmung für dieBeiden Grenadiere"undNachts um die zwölfte Stunde" aus ihrer Umgebuug. Uud am folgenden Tage sind dann ihre Leser, dieselben Männer, diegestern nichts Höheres kannten als dasBild des Kaisers", wie deralte Hauptmann in JmmermannsMünchhausen",stockprenßisch"oderschwarzgelb bis auf die Knochen".

Denn das Partikularistische Element blüht überall. Selbst einso einsichtiger Kritiker wie Wilhelm Müller will im Grunde nur pro-vinziell gefärbte Poesie gelten lassen. Jedenfalls entfaltet diese sichzu hoher Blüte. Die schwäbische Schule und die österreichischeLokaltradition bringen gerade jetzt in Uhland, Grillparzer, Rai-mund Klassiker hervor; und neben sie stellt sich die durchausspecifisch geartete Natur der Westfalin Annette von Droste . DieLokalposse und die Dialektpoesie gedeihen. Am höchsten kommtnun auch in Mittel- und Norddentschland die dialektische Komödie,die ja auch für Raimund die Vorbedingung gewesen war. Auf deuvon Goethe so warm belobtenPfingstmontag" (1816) des Straß-burgers G. D. Arnold (17801829) folgt nun derAlte Bür-gerkapitän" (1820) des Frankfurter Karl Malß (17921848).Malß schuf mit seinembaumwollenen und wollenen WarenhändlerHampelmann" eiue lebenswahre Figur, die lange lebendig blieb,einen Philister von ganz specifisch frankfurtischem Gepräge. DenDialekt beherrschte er so meisterhaft, wie schon sein Vorgänger,