100 1820—1830.
ihm Coopers konventionelle Lederstrumpfgcschichten. Aber die un-geheure Kraft des Nachfühlens fehlt dem harmlos-heiteren Erzählerso sehr wie die Geschlossenheit der Anschauung; und seine Spracheund Technik, so sehr sie Sealsfields Improvisationen überlegen sind,genügen doch keineswegs, um für jene Nachteile zu entschädigen.
Erinnern wir bei dem großen Schilderer nationaler Eigenartauch au jene Reihe großer Gelehrten, die von Rückert zu Ranke leitet: Franz Bopp (1791—1867), den Begründer der vergleichen-den Sprachwissenschaft, F. Eh. Baur (1792—1360), den Stifterder „Tübinger Schule", von der die historische Richtung in derTheologie ausgeht, Karl Lachmann (1793—1851), den Meisterphilologischer Kritik und Reformator der Lehre vom Volksepos,endlich Leopold v. Ranke (1795—1886) selbst, den Erneuererder Geschichtswissenschaft. Allen ist das liebevolle Eingehen in dieIndividualität von Völkern und Epochen gemein. Ihnen allenwurde es selbstverständlich, den lebendig angeschauten Hintergrundnationaler oder zeitlicher Eigenart als Mittel der Prüfung zuverwenden bei jeder Betrachtung von Einzelerscheinungen: die Forin,der Vers, der Bericht, der damit stritt, war verdächtig. So tiefhatte die Forschung früher nie die Eigenart im nationalen oderzeitlichen Boden wurzeln lassen, war auch theoretisch die Machtdes „Milieu" auf den Einzelnen längst von dem Italiener Vicound dem Franzosen Montesquieu , von Herder und von Goetheanerkannt. Wer verkennt eine Verwandtschaft dieser wissenschaft-lichen Richtung mit den litterarischen Tendenzen der Dialektpoesieund des ethnographischen Romans? Wer sieht nicht in allen dreiendas gemeinsame Streben, den Gegensatz des merkwürdigen Einzel-falls und der Allgemeinheit aufzuheben, indem sie die Individualitätaus dem Zeitcharakter sich herausbilden lassen?
Nur einer von diesen großen Gelehrten gehört der Litteratur-geschichte an: Leopold v. Ranke. Am 21. Dez. 1795 zu Wiehe in Thüringen geboren, ward er 1825 Professor an der UniversitätBerlin und hat diese Stadt fast nur noch zu Studien- und Berufs-reisen verlassen. Seit seiner ersten Arbeit anerkannt, das verehrteHaupt einer Schar von bedeutenden Historikern, unter denen ichnur G. Waitz, W. Giesebrecht und H. v. Sybel nennen will, vonFürsten und Völkern gefeiert, mit Ehren überhäuft, ward der Greisfast der Erbe von Alexander v. Humboldts Weltruhm und centralerStellung; denn die Führung in der Wissenschaft war von der