Naturforschung eine Zeitlang auf die Geschichtsforschung über-gegangen. Noch im höchsten Alter konnte der unvergleichliche Ar-beiter das Wagnis einer Allgemeinen Weltgeschichte (1881) beginnen.Nach seinem Tode begann leise erst, dann stärker eine Opposition,die im Anwachsen begriffen ist; was an Ranke wahrhaft groß war,wird sie nie verdecken können.
Was man an ihm zumeist zn preisen pflegt, das ist inpositiver Hinsicht seine Methode, in negativer seine Abwehr allerSpekulation. Oft hat man sein bezeichnendes Wort citiert: seinEhrgeiz gehe nicht so weit, darzuthun, wie die Dinge hätten kommenmüssen: ihm genüge es, zu sagen, wie sie gewesen seien. Abermindestens für uns hier ift nicht seine Objektivität das Bedeutsame,foudern ihre Ursache. Die Wirklichkeit füllte sein Interesse aus.Jeder Charakter, jeder Typus interessierte den großen historischenRealisten. Es war ihm natürlich, wenn der OberbürgermeisterVon Berlin ihm den Ehrenbürgerbrief überreicht hatte, sofort ineiner kleinen Studie diesen neuen Typus des Leiters eines großenstädtischen Gemeinwesens zu skizzieren, gerade wie er Päpste undKaiser, römische Konsuln und jüdische Propheten studiert hatte.Die unbegrenzte, unversiegliche, unerschöpfliche Freude an dem Ge-schehen überhaupt — das ist der Punkt, in dem Leopold v. Ranke in einer wirklichkeitsschcuen Zeit die Verbindung zwischen Goetheund der Gegenwart herstellt. Hierin ist er modern. Das Ent-zücken an der bunten Fülle der Ereignisse ist der Grund der groß-artigen Vorurteilslosigkeit, mit der Ranke die Thatsachen der Welt-geschichte nicht uach ihrem moralischeu Wert, nicht nach ihremPolitischen Ertrag abschätzt, sondern dankbar in allen eine Auffor-derung zu wissenschaftlichem Nachfühlen uud künstlerischem Nach-bilden sieht. Wenn Nietzsche das Leben liebte um seiner Buntheitwillen, oder er es Pries wegen seines unerschöpflichen Reichtumsan Rätseln und Erfahrungen, so hätte niemand ihn besser ver-standen als Leopold Ranke . Wie die eigentlich historischen Vor-gänge, hat er auch italienische Knnst und deutsche Litteratur undenglische Geselligkeit mit Feuereifer sich anzueignen gesucht. „I^dorixss voluptas" war sein Wahlspruch: die Arbeit selbst ist der er-strebte Gennß, Höheres giebt es nicht, als nachfühlend nachschaffen,was immer sich ereignet.
Aus dieser Freude an allem Lebendigen fließt auch sein Stil,wasserhell und klar, oft wohl zu still, zu ruhig, wo unser lebhafteres