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1820—1830.
lassen. Als Sänger besaß Hauff wie Holtei die Gabe, volkstümlicheKlänge sich glücklich anzueignen, nnd sein „Morgenrot, Morgenrot,leuchtest mir zum frühen Tod" gewann durch des Dichters eigenesSchicksal nachträglich eine rührende Vertiefung, die dem etwas leerenGedicht „Steh' ich in finstrer Mitternacht" fehlt. Aber gerade vomHelden hatte dieser weiche, schwankende Charakter gar zu wenig.Die Anekdote, die Gntzkow erzählt: Hauff habe den „Mann imMond" (1826) gehabt in der Manier des vielbeliebten Claurengeschrieben, uud erst auf seinen Rat sei daraus eine Parodie aufden süßlich-unsittlichen Vielschreiber geworden — diese Anekdote hatbei Hauffs ganzem Wesen nur zu viel Wahrscheinlichkeit. Nirgendhat man in seinen „Mitteilungen aus den Memoiren des Satan"(1826), in Novellen wie „Des Kaisers Bild" (1828) den Eindrucksubjektiver Wahrheit: die umlaufende Meinung über. Studeuteu-weseu, die süddeutsche Geringschätzung Berlins , der verbreiteteNapoleoukultus werden als dankbare Motive, als effektvolleStimmungen aufgenommen. Nun gar die „Bettlerin vom Pont-desarts" mit ihren sentimentalen Effekten verdiente es, was ihrwiderfahren ist: von Nathaniel Sichel gemalt zu werden. „JndSüß" ist viel besser uud hat glückliche Momente; aber die un-heilschwangere Situation wird doch auch hier in ein verliebtesMaskenspiel gewandelt; dem tiefen Ernst der frommen altprotestan-tischen Prälaten und Beamten Württembergs steht der Feuilletonistverständnislos gegenüber, und am Schlnß verderben gar einige stil-lose Späße die Wirkung. Aber gerade die letzten Arbeiten Hauffs hätten eine ernstere Weiterentwickelung erhoffen lassen, wie sie jaauch Th. Körner durchzumachen hatte. „Lichtenstein " (1826) ist eineder glücklichsten Nachahmungen Walter Scotts , besonders in denhumoristischen Partien, obwohl eine Nachgiebigkeit gegen Zeitstim-mungen in dem lustigen Zerrbild des Schreibers auch hier mit-spielt. Das Buch wirkt anmutig und leicht, wie wir in Schwabendie Bergschlösser auf einer mäßigen Höhe freundlich ins Thal blickensehen; sieht man allzu nahe hin, so ist freilich mauche Mauernur aus Pappe aufgeklebt und manche Figur nur mit vergänglichenFarben angestrichen. Aber der leicht hinerzählte Roman fordertkein solches genaues Nachprüfen. Die „Phantasien im BremerRatskeller " (1827) aber, mit Heines Trinkerphantasie im Nordsee-Cyklus sast genau gleichzeitig, sind ein in sich vollendetes Werkvon seltenster Grazie und Liebenswürdigkeit, leicht und süß wie