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Champagnerschaum und neben Heines Gedicht die erste originelleNeugestaltung der Trinkerpoesie in dem Meere unserer dem Horaz und den Vaganten des Mittelalters nachgesungenen Weinlieder.
Ich glaube nicht, daß mich der märkische Lokalpatriotismus un-gerecht macht, wenn ich Willibald Alexis (1798—1871) hochüber seine zahlreichen Mitbewerber um den Kranz der Epik stelle.Wilhelm Häring — denn auch er wie Sealsfield und Gotthelf trennteseinen bürgerlichen Nameu von dem künstlerischen — ist Holteisspecieller Landsmann; aber der Sohn Breslaus entstammt zugleicheiner alten Familie hugenottischer Rsfngiss, und er kam früh nachBerliu. Wie Holtei hatte er mancherlei Schicksale durchzumachen; teilteer doch mit seinem großen Zeitgenossen Balzac (1799—1850) sogardie Freude an kaufmännischen Unteruehmungen und hat das SeebadHeringsdorf begründet. Hauffs kurze Laufbahn schloß mit derRedaktion des Stuttgarter „Morgenblattes"; die lange Thätigkeitvon Alexis begann gleich mit der Leitung von Zeitschriften: seit1830 redigierte er den Goethe und der Romantik über Gebührverhaßten „Freimütigen", ein Blatt voll nüchterner nnd zuweilenphiliströser, aber keineswegs unverständiger Kritik. Alexis gab aberdie Redaktion bald auf, freilich nur, um später wieder die der„Vossischen Zeitung" zu übernehmen. Sein ziemlich zahmer Libe-ralismus zog ihm von Friedrich Wilhelm IV. ein eigenhändigesstrafendes Billet zu, was G. Herwegh zu dem Epigramm reizte:
Unser gnädigster Herr, seht, welch ein Freund des Pikanten:Mit Hvchsteigener Hand salzt er die Häringe ein!
Als der Dichter in Rnhe die Ergebnisse seiner Thätigkeit ge-nießen wollte, gönnte ihm das Schicksal nicht das glückliche AlterHolteis: ein schweres Leiden überfiel ihn in seiner idyllischen Zu-rückgezogcuheit iu Arustadt in Thüringen und raubte ihm Bewegungund Gedächtnis. Nach elf Jahren bitteren Leidens ist er am16. Dez. 1871 gestorben.
Alexis ' Kritiken und Biographien, seine zum Teil nicht schlechtgeratenen Novellen und seine Dichtungen sind vergessen; nur „Fride-ricus Rex, unser König und Herr" hat eine gewisse Volkstümlich-keit behauptet. Seine Sammlung interessanter Kriminalgeschichtenin dem mit Chamissos Freuude Hitzig geleiteten „Neuen Pitaval"(seit 1842) haben eine symptomatische Bedentnng als Vorläuferder neuen Kriminalnovelle, die dann besonders der Politiker undJurist I. D. H. Temme (1798—1881) mit unermüdlichem Eifer