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1820—1830.
nach Berlin und eignete sich im Salon der Nahel den geistreichenUmgangston der Berliner Gesellschaft an, trat aber anch derdissolnten Romantik E. Th. A. Hoffmanns nnd seiner Genossennäher. Andere Einflüsse kamen hinzu. Wilhelm Müller hat erselbst in einem Brief dafür gedankt, daß er ihm den Rhythmus desVolksliedes vermittelte; er kam dem Ton des liebenswürdigen Ly-rikers fo nahe, das; dieser dann anch seinerseits wieder Klänge ausHeines Liedern ausnahm.
1822 erschien die erste Sammlung seiner Gedichte, 1323 diebeiden Tragödien „Ratclifs" und „Almansor " nebst einem lyrischenIntermezzo. Die meisterhafte Kunst, eine Gedichtsammlung zu einemzugleich einheitlichen und abwechselungsreichen Kunstwerk zu gestalten,die bald das „Buch der Lieder " (1827) aufweisen sollte, besaß derjunge Dichter noch nicht; erstaunlich bleibt es, wie rasch er sich diesevon Legras mit feiner Kennerschaft analysierte Gabe erwarb. Dennin diesen Erstlingen von 1822 und 1823 herrscht noch ein fastnaives Nebeneinander gewisser, jedesmal möglichst ausgeschöpfterStimmungen vor; Abtönung, Schattieren, dramatische Steigerungfehlen noch sast völlig. In dem einzelnen Gedicht aber ist Heine schon ganz Dichter; vieles hat er nie zu übertreffen gewußt.
Heine ist sich wohl bewnßt, wie schwer seiner nervösen Sensi-bilität jedes Festhalten einer einzelnen Grnndstimmnng wird. Ebendeshalb sucht er mit einem gewissen verzweifelten Trotz gewisfeHanpttöne festzuhalten. Vor allem geben den Gedichten die „Traum-bilder" ihren Charakter. Um sich von der Störung der wirklichenWelt zu isolieren, transponiert Heine , der übrigens selbst einVirtuos des Trüumens war, seine Empfindungen in die Stilledes Traumlebens. Ungestört kann er hier die Geliebte (oder dieGeliebten), den Nebenbuhler, die Hochzeit der begehrten und um-worbenen Cousiuc, der ältesten Tochter seines Onkels Salomon,umformen; die Wünsche werden Erlebnis, die Befürchtungen er-träumtes Schicksal: „Ich lag und fchlief und schlief recht mild —".
Zwei Heldinnen hat diese Liebeslyrik Heines vor allem: Josefa,die Tochter des Scharfrichters von Düsseldorf mit ihrem langenblutroten Haar, die er wohl am leidenschaftlichsten geliebt hat,nnd jene Cousine, der er eifrig und erfolglos den Hof machte.Und da kam über ihn jene schlimme Art der Zeit: mit den eigenenGefühlen zu spielen. Er übersetzt sich in einen Märtyrer der un-glücklichen Liebe. Er drapiert sich als Heros zweier mißglückter