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1820—1830,
Fragment und erst die größere Sammlung ein Ganzes ist und erführt uns unmittelbarer, gewissermaßen unter Verabschiedung jedesVermittlers, in die Stimmung hinein, die gerade diese Verse er-wecken sollen. Die scheinbare Formlosigkeit ist thatsächlich ein Siegdes musikalischen Elements in der Lyrik über die Buchpoesie. DieÜberschriften erinnern daran, daß ein gebundenes Heft mit Inhalts-angabe vorliegt; die unsiguierteu Lieder scheinen aus der Luft vomWind vor das Auge des Lesers geweht zu sein.
Daneben übt Heine in noch ziemlich schwachen Ansäugerarbeitenseinen Prosastil und kehrt dann nach Göttingen zurück, wo er am20. Juli 182S als voetor ^juris promoviert, nachdem er einen Monatfrüher zum Christentum übergetreten war. Eins wie das anderewar für den Dichter bloß eine Formalität, durch die er sich einebessere Stellung im Leben sichern wollte. Heine ist durch die Taufeuoch viel weniger Christ geworden, als etwa Winckelmann dnrchseinen Übertritt Katholik wurde. Er hat sich im Gegenteil nie ge-scheut, die von ihm selbst gewählte Religion ebenso und noch bitterermit Spott uud Hohn zu überschütten als die angeborene. ImGrunde war ihm jede positive Religion verhaßt; mit dem Judentumverbanden ihn aber immerhin noch Kindheitserinnerungen und derTrotz, der durch immer wiederkehrende Hinweise seiner Gegner aufseiuen Ursprung herausgefordert wurde. Er hat sich späterhin eineeigene Kampfstellung gegen das Christentum zurecht gemacht: alsein „Helleue" sei er Feind des „Nazareuertums", als weltfreudigerHeide geborener Widersacher der religiösen Weltentsagung. EtwasRichtiges ist darin. Diese nervöse Natur, die ganz darauf ange-legt war, im Moment zu leben, fühlte in der großartigen Einheitund Geschlossenheit der christlichen (uud der altjüdischen) Welt-auffassung einen aufreizenden Vorwurf. Daneben war er aberviel zu sehr Aristokrat, um ernstlich bekümmert zu sein, wenndas Christentum den Vielen vieles fernhält. Er hat freilich jeneParole in die Welt hineingeschleudert, die dann das „Junge Deutsch-land" so ungeschickt weitergab: „Der nächste Zweck aller unsererneuen Institutionen ist solchermaßen die Rehabilitation der Materie,die Wiedereinsetzung derselben in ihre Würde, ihre moralische An-erkennuug, ihre religiöse Heiligung, ihre Versöhnung mit dem Geiste".Aber er meinte das doch nicht, wie Fenerbach, wenn der rief: „Essenund Trinken sind für sich selbst religiöse Akte . . . Heilig sei unsdarum das Brot, heilig der Wein, aber auch heilig das Wasser.