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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18201830.

des Herrn von Schnabelcwopski", wie in denFtorentinischenNächten" einen ästhetischen Genuß auch nur an dem Witz nichtaufkommen. Nur wo Heine seine Prosa ganz mit dem Geist desWitzes erfüllt, wie in demDenunzianten " (1837), oder dem höchstamüsantenSchwabenspiegel" (1839), da hat man daran die Freude,die die meisterhafte Ausübung eines großen Talentes immer gewährt.

Heines Witz ist dem der Romantiker nahe verwandt, und wiedieser hat er sich an dem reichsten Humoristen Deutschlands, an JeanPaul , herangebildet. Seine Kraft liegt mehr in überraschenden Ver-gleichungen, als in der Gabe, irgend eine Vorstellung bis zu ihrenunmöglichsten Konseqnenzen zu führen der Gabe, auf der be-sonders Swift, Voltaire , Lichtenberg ihre geistreichen Witzgebäudeerrichten. Heines Witz wächst aber, trotz den Einflüssen Jean Pauls und auch Byrons, aus seiner ganzen Organisation so notwendighervor wie seine Poesie. Denkt er in Italien an den deutscheuSommer, so tritt ihm zwar die Vorstellung der grünen Bäumeund Wiesen vor die Augeu, sosort aber auch die geringere Wärme:Unser Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter". Sofortpersonifiziert er ihn und versieht ihn, wie den Meergott in derNordsee, mit dem stehenden Symbol des frierenden Philisters:Sogar die Sonne muß bei uus eiue Jacke von Flanell tragen,wenn sie sich nicht erkälten will". Diese Verkoppelung des leuchten-den Sonnengottes mit der schnöden Jacke von gelbem Flanell wirkthöchst komisch, weil sie mit so überraschender Schnelligkeit geschieht;das Prinzip aber ist das alte der romantischen Ironie, das etwabei Hossmann trockene Bureaudiätare und indische Seher Arm inArm wandeln läßt. Diese Schnelligkeit ist aber auch wirklich etwasNeues, neu wie die Knappheit von Heines volksliedartigen Balladen,neu wie die minutiöse Beobachtung der Wellenschatticrungen. Be-sonders gern verwendet Heine hierfür auffallende Epitheta; das be-rühmtespitnöts rare", das in der französischen Litteratur einesolche Rolle spielt, daß Edmoud de Goncourt die besteu ihm ge-luugeneu Fälle triumphierend aufzählt wie ein Indianer die Skalpsseiner Opfer, hat vor den Franzosen Heine uud seiue Schule virtuosgchaudhabt. Auch hier geht ihm zwar Byron voran; Heine citierteinmal selbst Byrons Ansdrnck:Wellington mit seinem hölzernenBlick". Aber das ist nur kühn ausgedrückt; es heißt doch eigent-lich nur: Wellington mit dem Blick einer Holzpnppe. Nicht imAusdruck, sondern in der Beobachtung liegt dagegen der Witz, wenn