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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18201830.

heit, in der Heine bei uns schlechterdings keinen Nebenbuhlerhat und in der Weltlitteratur nur Molisre und Byron, demWintermärchenDeutschland" (1844) seinen Stempel. Hier findensich die unglaublichsten jener unmöglich-notwendigen Reimbindungen:

Ein hübsches Mädchen fand ich dort,Die schenkte mir freundlich den Punsch ein,Wie gelbe Seide das Lockenhaar,Die Augen sanft wie Mondschein,

oder:

Das ist so rittertnmlich und mahnt

An der Vorzeit holde Nomantik,

An die Burgfrau Johanna von Montfancon,

An den Freiherrn Fouqn6, Uhland, Tieck .

Sonst aber steht dies Gedicht, wirklich nur satirische Reisebilderin lockerer Folge, hinterAtta Troll " weit zurück. Die abstoßendeGemeinheit in der Vision der Hammonia kann durch den PrächtigenSchlnßhymnus nicht ausgeglichen werden; das tiefsinnig-geistreichedreizehnte Kapitel (vom Kruzifix) und selbst das geniale sechste ent-schädigen nicht für die Leere des Ganzen. Jenes sechste enthältfreilich eine Erfindung, die Heiues Dichtergröße allein sichern uuddie landläufige Behauptung, Gestalten habe er nicht zeichnen können,allein widerlegen könnte. Wie Raimund den Verschwender seinfünfzigstes Jahr erblicken läßt, so sieht hier der Dichter selbstdieThat von seinem Gedanken", eilten vermummten Gast, der ausführt,was immer der Geist des Denkers ersinnt. Genial wie dieseAusfassung, die alles Handeln zum Echo des Denkens macht, istdie Ausführung der Figur mit ihrem trockenen Ton und der un-tersetzten Statur, unter dem Mantel das Richtbeil.

Zu den poetisch ausgeführten Reisebildern ist endlich noch dasFragment desRabbi von Bacharach" zu rechnen. Die Wande-rung erscheint hier als Flucht: das Ehepaar, dem Judenfeinde dieLeiche eines Christenkindes unter den Tisch geworfeil haben, rettetsich vor der drohenden Wut der Meuge. Dabei verweilt Heine hier allerdings weniger als fönst auf dem Ausmalen rein lokalerStimmungen; aber auch hier dieut doch die Reise als Gelegenheit,in rascher Folge wechselnde Momente, Festfreude, Schrecken, Angst,Gefühl der Rettung, Überraschung, Staunen mit ihren speci-fischen Eigentönen abwechseln zu lassen. Die Konzeption istwirklich großartig. Ein bestündiges Zittern vor dem ewig ge-zückten Henkerbeil blutiger Verfolger und der Zwang, immer auf