Chr. Fr. Schercnberg, 147
Gedichte. Sie erwarben ihm Gönner, aber noch keinen Ruhm.Da erschien 1846 „Ligny", seinem Beschützer Nostiz gewidmet,Blüchers Adjutanten nnd Lebensretter in jener Schlacht, und miteinem Schlag war er berühmt. Er hatte seine Art gefunden.Rasch folgten „Waterloo" (1849), das beste seiner Werke, dann„Leuthen" (1852), „Abukir" (1854), „Hohenfriedberg " (1869); eingeplantes Gedicht über den Nordpolfahrer Franklin blieb unvollendet,und der sorgsam umformende Dichter ließ die „Waschkörbe vollPolareis" ungenutzt auf den Boden schaffen. Mit der dichterischenKraft starb auch rasch seiue Wirkung ab. Um ihn ward es einsam; vonder Welt vergessen lebte er in einem alten niedrigen Häuschen inder Bendlerstraße in Berlin (Paul Lindau hat es in der Novelle„Toggenburg" beschrieben), den Tiergarten vor der Thüre, uudspäter in anderen Wohnungen, so idyllisch, so im Grünen, wie diedamals erst werdende Weltstadt es erlaubte. Als er dreiundachtzig-jährig starb, war der Beifall lange, lange verhallt, den einst durchganz Deutschland „Rhetoren" mit der Recitation seiner Gedichtegeerntet hatten; und kopfschüttelnd standen die Wenigen, die sie nochkannten, vor diesen gigantischen Resten.
Scherenbergs Poesie wurzelt, wie die Heines, durchaus imAugenblick. Sie baut sich nicht, wie etwa die Uhlands oder Geibels,auf der breiten Pyramide einer gleichmäßigen Existenz auf, sondernwie eine Rakete schießt sie plötzlich aus der Entzündung eines Mo-mentes hervor. Wenn nun aber Heines Größe darin wurzelt, daßer die ganze Kette sich folgender Momente mit immer gleicherinnerer Teilnahme durchlebt uud zu einem künstlerischen Ganzenznsammenempfindet, so ist dagegeu in Scherenberg noch die alteromantische Vorliebe für den einen Pathetischen Moment mächtig.Dem geht er nach; aber den dnrchlebt er auch mit voller Intensität.All seine Schlachtenbilder uud die Mehrzahl seiner Gedichte sindganz auf eine Explosion gerichtet. Mit leidenschaftlicher Haststeuert er die Regimenter, die Schiffe dem Augenblick der höchstenSpannung zu. In ungeheurer Bewegung vibriert da alles, dieLnft, die Augen und Hände zittern; die Sätze werden halb unver-ständlich herausgeworfen, einzelne Worte fliegen wie Bomben indie Höhe, die Verse klirren nnd zerbrechen uud drängen sich wiekämpfcnde Gewehre — und plötzlich ist alles aus uud ein feurigesSchlußwort tönt über das Schlachtfeld. In dieser intensiven Er-fassung des Moments liegt sein? Originalität.
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