154 1830-1840.
Blumen und Bändern durchsteckt, negieren das Lebensalter undgeben der Frau etwas Kindisches und etwas Greisenhaftes zugleich.Ebenso eifrig und ebenso ungeschickt richtet man die Zimmer ein.Eben jetzt wird es üblich, die Stubeneinrichtung genau und kenner-haft zu schildern; in Frankreich brachte es in diesen litterarischenTapezierkünsten Theophile Gautier (1811—1872) zu einer Höhe,die auch Paul Bourget trotz heißem Bemühen nicht wieder erreicht hat.Das beweist ein neu erwachendes Interesse für den Schmuck desLebens; aber noch ist man von aller Harmonie weit entfernt.Möglichst glänzend, möglichst bunt — das ist das Ideal. Dasglänzende Mahagoni ist Lieblingsholz, dunkelgrüner Sammet amBoden muß sich mit rosa Vorhängen vertragen; und wird dieganz besonders geschmackvolle Einrichtung eines vollendeten Welt-mannes geschildert, so heißt es: „Die Tapeten waren weißlich, mitBlumen und Leisten von Gold. Die kirschbraunen Möbelüberzügeund über dieseu tiefschwarze Kupferstiche hoben sich prachtvoll da-gegen ab." Die Beleuchtung so grell und ungedämpft wie möglich.Und dann, sobald die Gäste zusammmen sind, „die dampfendeBowle" oder der Champagner. Der Chambertin, das Lieblings-getränk in den Romanen der vorigen Jahrzehnte, ist nicht prickelndgenug. Schleiermacher liebte Chambertin; Freiligrath und Herwegh tranken nur Champagner. Dergleichen ist nicht zu übersehen ineiner Zeit, an deren Ausgang Ludwig Feuerbach das Dogmaaufstellt: „Der Mensch ist, was er ißt".
Im Gegensatz zu der Vorliebe Rückerts oder Annettens fürdie stille Einsamkeit, im Gegensatz zu Heines und Holteis Abenteuernlieben es die Schriftsteller wieder, zusammenzuleben. Aber es wirdnicht, wie einst im Hause Stägemann, ein ideales Spiel ange-strebt, sondern realste Geselligkeit. Wie die norwegischen Geniesin Knut Hamsuus „Neuer Erde", betreiben die Titanen in Berlin die Genialität auf gemeinschaftliche Kosten. Man bewundert undbeneidet sich; jeder behorcht und belauert den andern. Auch dieHarmloseren thun sich gleich in Gruppen zusammen, um der Weltgegenüber kund zu thun, daß sie „zur Litteratur gehören".
Der Geniekultus treibt die wunderlichsten Blüten. Es wäredoch selbst Brentano nicht eingefallen, eine Amtshandlung zu ver-richten wie Grabbe, der als Auditeur Offizieren den Eid in weißerUnterhose, schwarzseidenen Strümpfen, den Frack über der rotge-streiften Nachtjacke und Pantoffeln an den Füßen abnahm. Damals