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1830-1840.
balismns gewesen und die Messe ursprünglich ein Menschenopfer,zum gläubig-katholischeu Mariendienste gelangte, in Religions-geschichte, Philosophie, Mystik immer von neuem auf den Urgrundmenschlicher Dinge zu tauchen bemüht.
Ein gläubiger Bekenner wie Fechner, ein Dichter geistlicherLieder wie Daumer hat auch Philipp Spitta (1801—1859)manche religiöse Wandlung durchgemacht, ehe der Schüler Tholuckszur ausgesprochenen Orthodoxie gelangte. Der Sohn eines Huge-notten und einer getauften Jüdin, war er als Jüngling mit Heinebefreundet gewesen; auf der Universität hatte er ganz im Stil derEpoche einer dichtenden „Taselrunde" angehört, in der die Mit-glieder, wie im Berliner „Tunnel", Gesellschaftsnamen im Stilder alten Akademien und Sprachgesellschaften führten; Spittahieß „Adelreich". Als Hauslehrer in Lüue bei Lüneburg dichteteer die meisten nnd besten seiner Lieder; 1833 erschien zuerst seinebekannte Sammlung „Psalter uud Harfe" und eroberte sich rascheinen weiten Leserkreis. Es ist bis heut wohl die verbreitetsteSammlung neuerer geistlicher Lieder in Deutschland geblieben.Aber diese Popularität verdankt sie nicht bloß ihren Vorzügen:kindlicher Frömmigkeit und gefülligem Tonfall, sondern auch ihrenSchwächen. Neben den geistlichen Gedichten der Annette von Droste oder der Luise Hensel , neben der Prosa Tholucks oder deuBildern Ludwig Nichters erscheinen Spittas Gedichte flach undoft gemacht. Er vergreift sich leicht im Ton und beginnt etwa„Das Lied vom Sterben" mit Klängen eines Studentensangs:
Stimm' an das Lied vom Sterben,Den ernsten Adschicdssang.
Oder er verfällt, wie Geliert mit seinem berüchtigten „Lebe wie du,wenn du stirbst, wünschen wirst gelebt zu haben", in prosaischeTrivialität:
O bedenke und erwäge,Wie du gehn magst, nicht so lang!Solch Bedenken macht nur träge,Macht dich mehr noch schwach und krank.
Am glücklichsten ist er in kurzen, epigrammatisch zugespitzteil Ge-dichtchen wie „Trost der Nacht" und „Andacht"; seinen Ruhm aberverdankt er vielmehr leicht singbaren Verspredigten wie „O seligHaus, wo man dich ausgenommen", „Ich nnd mein Haus, wirsind bereit". Wie Hoffmanns von Fallersleben Lieder dürfen die