160 1830—1840.
Christian Dietrich Grabbe (1801—1836) ist neben Lenau ,ja noch mehr als dieser der typische Dichter dieses Zeitranms.Eine große Begabung verfällt durch Geniespielerei in Entartung;ein vielbewunderter Neuerer stirbt im Elend, da er gerade seinBestes zu geben im Begriff ist. Das ist der Dichter, wie ihn sichdie Zeit vorstellt; so hat ihn der junge Freiligrath besungen undmit dem berühmten Vers „das Mal der Dichtung ist ein Kains-stempel" die Lehre vom angeborenen Dichtereleud an seinen Namengeheftet. Und jene wilde Litteraturgeschichte, die jedesmal aus dem„galvii äss i-ktusös" den Ehrensaal macht, ruft ihn nach Günther,Bürger und Lenz als vierten Hauptzeugen für die Schlechtigkeit derWelt an, die ihre größten Herzenskünder verkommen lasse. Der Sprnchist ungerecht bei Bürger, ungerechter bei Lenz, am ungerechtestenbei Grabbe . Kritik und Publikum haben wahrlich an Kleist, Grill-parzer, Anzengruber, Hauptmann genug gesündigt; Staat undFürsten haben sich wegen Fritz Reuter , die „Gesellschaft" hat sichwegen Gottfried Keller reuig an die Brust zu schlagen. Grabbe ist nur an sich selbst zu Grunde gegangen.
Er ist (11. Dez. 1801) in einem der kleinsten Kleinstaaten, inDetmold , geboren, der Sohn eines Zuchthausverwalters und einerungebildeten, aber tüchtigen Frau. Ob die Atmosphäre des Zucht-hauses auf das Kind einwirkte, daß er später so gern Schurkenzeichnete? Die Eltern ermöglichten ihm das Studium; aber aucher will auf die Bühne wie Holtet, wie Scherenberg: es zieht siedahin, wo sie eine große Rolle spielen, mehr als sie sind scheinenkönuen. 1822 geht er nach Berlin und kommt dort in die Litte-ratenkreise, in denen auch Heine verkehrte. Hier erhielt er dieRichtnug auf gesuchte Genialität. Unbeholfen von Haus ausbrauchte er sich nur ein wenig in der Gewohnheit auszubilden, allesanders zu machen als andere Menschen. So erzog er sich zum„Naturgenie" und erregte Aufsehen durch dunkeln Ursprung undunbehilfliche Manieren. Die französische Romantik, deren größterDichter, Victor Hugo (1802—86), nur ein Jahr jünger warals Grabbe , gab in ihren freundschaftlichen Symposien, die sie soeifrig pflegte wie Schereubergs Freunde, die Parole aus: „spatsi-le doui-Aeois": „den Philister vor den Kops stoßen". Das warauch Grabbes Hauptaugenmerk. Er fragt sich sortwährend, ob erauch Kopfschütteln erregen wird. Wie König Ludwig I. von Bayernvor jeder Audienz seine Haare künstlich in malerische Verwirrung