186 1830—1840.
Wesen so innig verschmolzenen Wesens!" Er preist den Tod, weiler ein Teil des Lebens ist, weil er der vollendende Moment ist.So kommt auch hier der Momentkultus dieser Epoche zur Geltung.Und aus dieser Auffassung des Todes heraus wendet er sich mitschneidender Herbheit gegen die Unsterblichkeitslehre, sür die derTod „nur ein Ort zum Kleiderwechseln" sei, das Sterben „mir dasSchnedderengdeng eines Postillons, der die nächste Station an-kündigt". Der Tod soll ein einzig dastehender, abschließenderMoment sein, dessen Großartigkeit kein Jenseits herabdrückt. DerTod ist das letzte und höchste Recht des Lebenden.
Ludwig Feuerbach ist ein Meister der Rede, weil er ganz erfülltist von seinem Evangelium. Die Romantik hat auf ihn stark ge-wirkt, daneben ihr Todfeind: die Aufklärung. Lichtenberg nebenSchelling, Bayle neben Schleiermacher sind seine Meister. Aberauch das ist so paradox nicht, wie es klingt. All diesen Männernist eins gemein: die Freude an der Gegenwart. Die naive Lust,mit der die Aufklärer rufen, es fei eine Freude zu leben in dieserZeit der Vernunft und Menschenliebe, ist allerdings weit entferntvon dem raffinierten Wollustgefühl, das der romantische Dichter imMoment des Dichteus und Schreibens empfindet — aber dieFreude an einem wirklichen, individuellen Zustand ward doch hierwie dort gefühlt. Und beide Male empfand Feuerbach voll mit,der leidenschaftlichste Optimist in diesem pessimistischen Zeitpunkt.
Eine andere Form des intensiven Gedankenlebens, mit demFeuerbach die ganze Wirksamkeit seines Daseins in ein paar von1830—1847 erschienenen Schriften konzentrierte, tritt in FenerbachsGegner und Nachfolger Max Stirner (1806—1856) hervor:sein ganzes geistiges Leben besteht eigentlich in einem Bnch, nnddies Buch eigentlich aus einem Gedanken, den er nur mit uner-schöpflicher Lust hin und herwendet. Caspar Schmidt, wie Stirner eigentlich hieß, hat in Berlin als Gymnasiallehrer und Journalistden Mittelpunkt jenes Kreises der „Freien" gebildet, die den Ge-danken des theoretischen Anarchismus zuerst in die Form gebrachthaben, die er heut bei dem Russen Krapotkin, dem Franzosen Grave, dem Deutsch -Schotten Mackay und anderen hat. Indieser „genialen" Gesellschaft überbot man sich in gewagtenParadoxien, imponierte sich gegenseitig dnrch Cynismen undfühlte sich groß, wenn einer den Ruf „Nieder mit Gott !" an-stimmte. Ganz aus diesen Stimmungen ist das Buch hervor-