Mnx Stirner.
187
gegangen, mit dem Stirner nach dem Urteil der einen Feuerbachüberbot, nach dem anderer ihn parodierte: „Der Einzige und seinEigentum " (1845). Wie Grillparzers armer Spielmann sich ander bestündigen Wiederholung derselben Accorde berauscht, so geigtStirner in unaufhörlichen Variationen den einen Gedanken: esgiebt nichts, als Individuen; jeder Mensch ist einzig nnd hat sürsich allein die Welt zu erschaffen, Recht zu geben, Moral zu gründen,Wissen zu beginnen. Fenerbcich hatte den abstrakten Einzelnenwieder entdeckt; Stirner setzte an seine Stelle den konkreten Ein-zelnen. Jeder Beliebige, jeder X ist Aufgabe und Endziel derSchöpfung und Weltgeschichte; nnd ebenso ist jeder Augenblick, jedeLaune souverän und darf sich nicht beirren lassen von früherenMomenten. Tradition, Gesetz, Wille der Mehrheit sind Gespenster;ja selbst Prinzipien des Einzelnen sind Ketten, die er abwerfensoll. — Weiter konnte die Affenliebe zum einzelnen Moment wohlnicht getrieben werden. Daher hatte das Buch mit dem einenparadoxen Gedanken großen Erfolg; daher wird es hent, in einerneuen Periode des Momentkultus, von neuem als ein goldenerSchatz angepriesen.
Während Feuerbach sich von den politischen Kämpfen strengferngehalten hat, war Stirner eifriger Parteigänger und hat aucheine Geschichte der Reaktion geschrieben. Fortwährend treffen wir vonjetzt ab diese Gabelung. Jeder hervorragende Schriftsteller, der mitEifer in die politischen Tagesfragen eingreift, hat jetzt einen Doppel-gänger, der bei sonst nah verwandten Tendenzen sich von den Tages-kämpfen scheu zurückhält. In der Kunstlehrc und Kritik stehen dervielseitige Franz Kugler (1808—1858), Dichter, Historiker, Be-amter, und der geistvolle Karl Werder (1806—1893) auf Seitender Unpolitischen, beide in letzter Linie Romantiker, Virtuosen desKunstgenusses: ging ja doch Werders fast neunzigjähriges Leben inder Ergründung einiger weniger Hauptwerke der Weltliteratur, des„Hamlet " uud „Macbeth", „Nathan" und „Wallenstein" nahezuauf, wenn er auch daneben Gedichte und ein Drama „Columbus"verfaßt hat. Dagegen ist Fr. Th. Bischer (1807—1887), dereinflußreichste deutsche Ästhetiker seit seinem Meister Hegel , durchund durch eine Kämpfernatnr, mit der ganzen Leidenschaft seinerSeele auch in den politischen Streitfragen lebend, so daß seinlangjähriger Freund D. Fr. Strauß (1808—1874), selbst Politiker,immer wieder über Vischers übergroßen politischen Eifer klagt.