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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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berühmten Landschaft wird in einer Weise ausgeführt, die anJacobsensNiels Lyhne" erinnert: die zerstörende Wirkung derdem Dichter unentbehrlichen geistigen Aufregung wird viel eher inder Manier neuerer Künstlerromane geschildert, als in der derromantischen Künstlcrtragvdien. Trotz allen Einflüssen bleibt Ori-ginalität genug in der Reihe von Romanen, die von 1838 (Ausder Gesellschaft"), dem Erscheinungsjahr vou Hauptromanen desJungen Deutschland (GutzkowsSeraphine" uud LaubesKriegern"),bis 1846 (Sibylle") in rascher Folge aus ihrer Hand hervor-gingen. Ein leidenschaftliches Suchen bleibt, das in seiner Formganz neu ist: sie hat zuerst wieder den Grund der ständigen Ent-täuschungen in der Seele des Menschen statt in der Nntnr derDinge gesunden; sie hat zuerst wiederdie UnVergänglichkeit derGefühle" ersehnt, wo die andern nur die UnVergänglichkeit der Er-scheinungen begehrten. Diese Frau hat in der Psychologie des Un-befriedigtseins alle Künstlerromane der Romantik und alle Genie-romane des Jungen Deutschland hinter sich gelassen. Und ihretiefe und große Sehnsucht nach einem unveränderlichen, die ganzeSeele still und groß ausfüllenden Gefühl hat in ihrer BekehrungRuhe gefunden. Sie, die schon in ihrem ersten Roman der Heldineinen Kopf gab mitdem Schnitt einer Madonna nnd dem Aus-druck einer Sibylle", sie hat mit subjektiver Notwendigkeit von derVerehrung der Sibylle, der geistreich andeutenden, unverstandenenProphetin, sich zur Anbetung der Madonna gewandt und ist alsfromme Klosterfrau (12. Jan. 1880) gestorben. Aber ihre dichte-rische Bedeutung war mit der Bekehrung erloschen, eben weil sieso gauz auf dem Suchen, dem unruhigen Tasten, dem beständigenVersuch, sich in große Seelen hineinzufühlen und auch hincin-zuspielen, auf der Veränderlichkeit der Gefühle bei der Unveründer-lichkeit der Grundrichtung beruht.

Und neben dieser Augustinusuatur, deren erste Lebenshälftenur ein Ringen uud Zielen nach der stillen Begeisterung derzweiten war, steht nuu in gleich eifrigem Katholizismus ein Mannwie Graf Franz Pocci (18071876), der Münchener mitseiner behaglichen Lebensfreude neben der Mecklenburgerin mitihrem oft von ihr beklagten Talent, alles zu analysieren, der un-erschütterliche Romantiker neben der enttäuschten Zweiflerin, derHumorist neben der pathetischen Seele. Wenn die Gräfin Hahn ,wie ihre Heldinnen, alles durchprobiert, Wissenschaften, Künste,

Meyer, Litteratur. 13