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1830—1840.
Dann Versucht er sich, durch seine Umgebung angetrieben, in den„Stimmen der Zeit " (1833), als heimischer Seher und beweist nur,wie ganz unpolitisch er im Grnnde war. Nach dem Tode seinerGattin sank er zusammen wie Wilhelm Hensel nach dem der seinen;zuletzt wurde es auch seinen Freunden klar, wie hohl und leer diemühsame Dichterbegeisterung war, an die sie so tren geglaubt hatten.Nur der Schatten seiner Frau hat dem anspruchsvollen Dichterlingeinen Raum in der Litteraturgeschichte gewahrt. So sorgt dieTreue auch über das Grab hinaus für den Unwürdigen.
Charlotte Stieglitz (1806—1834) war eine sehr liebliche Er-scheinung. Die Hoheit, die ihr die gedankenvolle hochgewölbte Stirnund die stolze „keck gehobene Nase mit einem leise geschwungenen Adler-typus", vor allem aber ein „leise verschmähender Zug" um die Lippenverleihen, wird durch die Anmut der jugendlich aufgebnndenen braunenLocken, dnrch den milden Glanz der nachdenklichen Angen, dnrchdas srische Inkarnat der mit sanften Grübchen geschmückten Wangengemildert. Und so war sie: stolz und sauft, aristokratisch und liebe-voll. Zu dem suchenden Egoismus der Heldinnen des JungenDeutschland bildet ihre „zu große Fülle übersinnlicher Liebe" einenscharfen Gegensatz: „Ich wußte es uie, und weiß es noch nicht, woich mit meiner Liebe hin soll", schrieb sie einmal in ihr Tagebuch.Als Schülerin ward sie dnrch einen verehrten Lehrer dem Pietismusnahe geführt; später, sehr aufgeklärt, hat sie all ihre Liebesfülledem schwachen Mann zugewandt, der diese Fülle nicht tragen konnte.Gewiß hat man sie, trotz manchen Künstlertalenten, mit Recht eine„eigentlich mehr philosvphisch-reflektierende als künstlerische Natur"genannt; aber ein geheimes poetisches Bedürfnis verriet sich dochin der Weise, wie sie sich ihren Geliebten umdichtete. Ja mehrnoch: sie setzte ihren Stolz darein, ihn zu der ganzen Bedeutung,die sie in ihm schlummern sah, herauszubilden. So bescheiden sieneben ihm zurücktrat — wäre er ein echter Künstler geworden, sowäre er ihr Kunstwerk gewesen. Unablässig hilft sie ihm, tröstetund ermuntert, kritisiert und lobt. Vor allem aber sucht sie ihnaus seiner gefährlich zeit- und bodenlosen blassen Idealwelt, ausseiner Hvlderlinschwärmerei und seinem „Exotismns" auf den Bodender Zeit zu führen. „Soll der Künstler denn frei von aller Epochesein", fragt sie, „oder uicht vielmehr seine Zeit zum höchstmöglichenGrade der Vollendung heben?" Und fenrig ruft sie ihm noch indem letzten Monat, den sie erlebte, zu: „Weltherzen haben die