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1830-1840.
am sichersten als Schwerpunkt liegt, weil diese Handlungen die dauernden,die gründenden sind, gleichsam die Millionen Wnrzelfasern des Banmesdes Lebens.
Er kommt wiederholt auf dies Glaubensbekenntnis zurück. Der„Nachsommer", ein pädagogischer Roman, der die Erziehung einesJünglings am Anblick späten, stillen Altersglücks schildert, ist ganzdieser Idee gewidmet. Hier sagt denn auch der Zögling: „Großesist mir klein, Kleines ist mir groß". Mehr noch als Grillparzerund Annette wird dadurch Stifter, recht ein „Fanatiker der Ruhe",zum typischen Vertreter jener müdeu, weltscheuen Lebensauffassungder Restauratiouszeit. Er haßt das Große, weil es zu laut ist,weil jede starke Erschütterung ihm die „Unschuld der Dinge" verdirbt;denn gerade in der stillen Gleichmäßigkeit der Erscheinungen liegtsllr ihn der Zauber. Den bewundert er mit der ganzen Begeiste-rung seiner Zeit für die Schönheit des Lebens: „Es liegt immenschlichen Geschlechte das wundervolle Ding der Schönheit. Wiralle sind gezogen von der Süßigkeit der Erscheinung und könnennicht immer sagen, wo das Holde liegt. Es liegt im Weltall , esist in einem Auge ..."
Wenn nun aber Stifter trotz seiner sehr angreifbaren Welt-nnd Kunstanschaunng, trotz seiner Pedanterie und Kleinlichkeiteiner der wenigen großen Prosaiker Deutschlands ward, die so-gar der strenge Richter Nietzsche anerkannte, so liegt das an demtiescn Ernst, mit dem er diese Anschauungen durchführte. Die Kunstwar ihm höher als alle Welthändel, neben der Religion das Höchste,und ihrer Würde und Größe gegenüber waren ihm die Politischen Kämpfe uur „thörichte Raufhändel". Dieser schroffe Gegensatz widerdie Tendenzdichtung seiner Zeit erforderte aber nicht bloß die ganzeTapferkeit einer in sich beruhenden Persönlichkeit, sondern aucheine gewissenhafte Schulung des eigenen Wesens. Stifter war selbstheftig nnd eitel; er war ein leidenschaftlicher Patriot, den König-grätz vernichtete, ein entschiedener altliberaler Politiker, den dieRevolution von 1848 aufs tiefste erschütterte. Dennoch hat er sichvon der Nachahmung Jean Panls zu einem ernsten uud strengenStil durchgearbeitet, dessen peinliche Reinlichkeit doch nirgends die blasseFarblosigkeit von Varnhagens Mnsterdeutsch aufweist. Wo er Situa-tionen schildert, die seiner Sympathie Raum gewähren, da fügt seineRede sich den sanften Rhythmen, die er durch die Welt töuen läßt,uud sanft, sicher, beruhigend schreiten seine Sätze einher, leise, aber