Jungdcutsche Tcndcnzcu,
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nur daß sein Schritt diese Tendenz und die Wirkung ihrer Pro-pheten noch erhöhte.
Revolutionäre waren sie freilich; aber auf litterarischem, aufästhetischem Gebiet. Das Gefühl, daß es anders werden müsse,durchdrang sie alle. Lebhaft gab dem Wienbarg in seinem feurigeuVortragszyklus Ausdruck: die neue Ästhetik, sagte er, sei „dasleise ästhetische Gefühl, das im Schoß der Zeit sich regt, dasprophetische Gefühl einer neu beginnenden Weltanschauung". Nach-drücklich erklärt er „das Protestieren gegen die Historie" für diegroße Erbschaft, die Luther uns Übermacht habe: den Gegensatzgegen Savignys und Hegels Legitimierung jedes nun einmal geschicht-lich gewordenen Mißstandes. Gleich kräftig verabscheut Mundt das„Schöngeistige", die Anerkennung jeder in geistreiche oder eleganteForm gebrachten Inhaltslosigkeit. Ein neues Ideal der Schönheitstellen sie auf: das Schöne, erklärt Mundt, der Kritiker der Schule,indem er Wienbarg, ihren Ästhetiker, kommentiert, das Schöne seidasjenige, „das den nationalen Formen der jedesmal heransgetretencnWeltanschauung einer Zeit und eines Volkes gemäß und harmouischist". So stark betonen sie, die man unpatriotisch schalt, die natio-nale Grundlage! Und wie breit und kräftig fassen sie ans! Nichtbloß die Anschauung der Gebildeten — das Leben des Volkes sollGrundlage der neuen Dichtung werden. Ein neues Ideal desLebens stellt Wienbarg auf. „Es fehlt uus uicht an Philosophie,wenigstens nicht an Philosophen, es fehlt uns nicht an Gelehrsam-keit — es fehlt uns an einem gemeinsamen Mittelpunkt der Bildung,und Ursache desseu: es sehlt uns an gemeinsamen! Leben." „Wir habenuns heransstudiert aus dem Leben, wir müssen uns wieder hinein-leben. So gründlich, wie wir studieren, so gründlich wollen wirleben." „Das Leben ist des Lebens höchster Zweck." „Die Kunst,sein eigeues Leben zu gestalten und ihm eine würdige, zeitent-sprechende Form zu geben" ist ihm die schönste und edelste allerKünste. Und von dieser Lebensknnst erhofft er jene schönere Zu-kunft, jene dritte Kirche, wie es Heine, jenes dritte Reich, wie esIbsen nennt: „Über unserer Asche wird sich ein neues europäischesGriechentum erheben, angemessen dem geistigen Fortschritt, den dasChristentum vorbereitet hat."
Hier liegt die Stärke des Jungen Deutschlands. Heller undüberzeugter hat seit den Tagen der Renaissanee niemand das „Allesist Euer!" gepredigt. Die ganze Welt sollte wieder dem Menschen