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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
217
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Wieiwarg und Mundt, 217

und sein Schüler Karl Frenzel blieben die Autoritäten enger Kreise.Kritiker von der Bedeutung eines Bischer oder Hebbel drangen garüber den Umkreis der Höchstgebildeten nicht heraus. Mit Gutzkow dagegen mußte etwa von 1840 bis 1870 jeder Schriftsteller vonRuf sich auseinandersetzen, denn unumschränkter als Goethe oderLessing verteilte er die Diplome des allgemeinen Ansehens. Rührig,rastlos, rücksichtslos, wußte er für den ersten Schriftsteller Deutsch-lands zu gelten. Heut ist er eine Berühmtheit unter Literar-historikern. Und doch hat er wirkliche Verdienste gehabt: aber diemaßlose Ausnutznng seiner Kräfte hat ihn und seine Wirkung vor-zeitig erschöpft.

Im Grunde beschränkt sich die litterarische Leistung der Schnleauf seine Schriften und auf Laubes freilich nicht gering zu schätzendedramaturgische Thätigkeit. Ludolf Wienbarg (13021872), derSohn eines Schmiedes aus Altona , ist die hellste Erscheinung unterihnen: ein frischer fröhlicher Redner, dessen Kieler Vorlesuugen, dieÄsthetischen Feldzüge" (1834), wir schon in ihrer programmatischenBedeutung kennen gelernt haben. Sein eifriges politisches Inter-esse hat er 1848 auch als Freiwilliger in Schleswig-Holstein be-thätigt wie in zahlreichen Fehdeschriften. Dem leidenschaftlichenVorfechter der Politischen Einheit Teutschlands war selbst derDialekt seiner Heimat, wenn er sich zur plattdeutschen Schriftspracheerheben wollte, ein partikularistischer Störenfried. So, gerade undstark, ist er immer vorgegangen, ein sympathischer Feldprediger;aber als Schriftsteller hat er keine Spuren hinterlassen.

Auch Theodor Mundt (1808-1861) aus Potsdam ist alsÄsthetiker und Kritiker wichtig, nicht als Dichter. SeineKriti-schen Wälder" (1833) sind fast nur als Symptom der Zeitstimmungbedeutsam, unklar und vielversprechend sast wie ihr Vorbild, dieKri-tischen Wälder" Herders. DieKunst der deutschen Prosa" (1837)ist durch eine Fülle von Einzelbeobachtnngen schon > bedeutender,dieGeschichte der Litteratur der Gegenwart" (1842) aber mußthatsächlich zu den hervorragendsten Leistungen der Gruppe gerechnetwerden. Die Bedeutung von Görres z. B. hat er unter den erstenwieder entdeckt und ihn glänzend charakterisiert:So kommt es,daß er oft, indem er großen Gedanken nachgeht, sich Fledermäuseeinfängt, mit denen er sich im Nachtdnnkel seiner Phantasie herum-gejagt hat." Seine Charakteristik der Rahel scheint mir auch heutnoch, trotz Brandes und Walzet, unübertroffen. Und wenn die