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1830-1840.
Jungdeutschen fast alle zu breiter Geistreichelei neigen, weiß er auchmit wenigen Strichen eine Natur zu zeichnen, wie wenn er Hein-rich v. Kleist deu Politischeu Werther seiner Zeit nennt. Sein be-rühmtestes Buch: „Madonna, Unterhaltungen mit einer Heiligen"(1835) darf man aber freilich nicht lesen, wenn man dein Manngerecht werden will, der Charlotte Stieglitz angebetet und — LniscMühlbach geheiratet hat. Sonst sieht man zu deutlich, wie dasTaleut, hervorragende Strömungen oder Erscheinungen zu würdigen,sich mit einer absoluten Unfähigkeit verträgt, sich selbst auf ihreHöhe zu stellen.
Heinrich Laube (1806—1884) aus Sprottau in Schlesien zeichnet sich vor Wienbarg und Mundt schou dadurch aus, daß dergrößte Teil seiner Wirksamkeit nach 1840 fällt — nach dem Wende-punkt, an dem Wienbarg fast ganz von der litterarischen Arbeitzur politischen Thätigkeit überging, während Mundt, seit 1842 Privat-docent und seit 1848 Professor in Berlin und Breslau , zwar nebender literarhistorischen und historischen Wirksamkeit die rein schriftstelle-rische fortsetzte (1859 schrieb er den obligatorischen „Robespierre ",allerdings in Romansorm), dabei aber die frühere Eigenart mehrund mehr aufgab. Laube besaß eine größere Fähigkeit, zu reifen,zu streben, ohne doch wieder GutzkowS unermüdliche Strebsamkeituud Beweglichkeit zu erreichen. Der untersetzte Mann mit dem trotzigenGesicht und der knorrigen Haltung, mit dem entschiedenen Behagenan einer gewissen unschuldigen Rcuommisterei und einer beträchtlichenGrobheit hat ans verschiedene Zeitgenossen äußerlich den Eindruckeines Jägers gemacht, wie er denu auch selbst bis ins hohe Alterhinein dem Sport gern huldigte („Jagdbrevier" 1841). Als die vonMenzel hervorgerusene Verfolgung mich Laube traf, ward er (1837)wegen viel früher begangener Preßsünden — sie hatten ihm (1834—1835) schon neun Monate grausamer Untersuchungshaft in einemdumpfen, lichtlosen Kerkerloch zugezogen — zu sieben Jahr Festungverurteilt, aber durch Pücklers Vermittelung zu achtzehn Monatenbegnadigt — und die durfte er auf dem Schloß des „Verstorbenen",Muskau , verbüßen. Hier ist er zum Jäger erzogen worden, währenddie Kerkerhaft (nach Prölß' Beobachtung) ihn zum Studium derLicht- uud Luftnuancen führte, durch die seiu Roman „Das jungeEuropa" sich von der Atelierbeleuchtung älterer deutscher Romane undNovellen abhebt. Aber die energische Manier, alle Wirklichkeit anzu-packen, war dem Sohn des Maurermeisters von Sprottau angeboren.