Heinrich Lanbc,
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Wir pflegen uns die Jnngdeutschen nach dem Muster derRomanhelden in Gutzkows „Wally" oder Laubes „Juugem Europa"als problematische Naturen vorzustellen, als „Zerrissene", wie eineNovelle des geistreichen konservativen Publizisten Alexander vonUngern-Sternberg sie (1832) taufte. Gewiß war iu ihuen etwasvou der „Zerrissenheit" dieser „genialen Kerls, die bloß deshalbunglücklich sind, weil ihnen eine beträchtliche Dosis Menschenverstandfehlt und weil sie auf der Welt nicht wie auf dem Dudelsackspielen können", wie Laube selbst (1833) spöttelte. Aber nicht ein-mal der immer unzufriedene Gutzkow birgt iu seiner Brust solcheGegensätze wie Brentano oder wie Annette von Drostc. Nun garetwa der Professor Mundt in seiner behaglichen Ehe mit der ebensoschreiblustigen als in der Kochkunst und Hanswirtschaft gewandtenClara Müller, genannt Luise Mühlbach (1814—1873)! Odervollends Heinrich Laube , der so breitspurig in die Welt hinein-marschiert und sein Glück probiert — keine Spur von Manfred ,oder Merlin!
Laube hatte schon als Kind aus deu Brettern der Wander-theater herumklettern dürfen. Als er in Breslau Theaterkritikergeworden war, übte Seydelmann (1793—1843), der berühmteCharakteristiker der Stuttgarter und Berliner Hofbühne, auf ihngroßen Einfluß aus: er wirkte „für eine Ernüchterung der über-schwenglich gewordenen Theatersprache", die in Laubes nüchternerNatur eiue kräftige Resonanz sand. Sein bedeutendstes Drama,die „Karlsschüler" (1347), legte durch sein Thema den Pomp derWorte nnd die grellen Kontraste der Zeichnung besonders nahe;dennoch hat er es in Prosa geschrieben und aus dem Herzog Carlvon Württemberg keinen Wüterich, sondern den strengen Vertreterdes kouservativen Prinzips gemacht. Freilich hatte er bis dahin nochviel zn lernen. In seinem „Jungen Europa" (1833—1837) uud den„Reisenovellen" (1834—1837) schrieb er noch ganz in dem geistrcicheln-den Stil der Nachahmer Heines und Börnes gehaltlose Selbstoffen-barnngcn und wählte sich, obwohl er „plastische Darstellung"forderte, noch obendrein Heinse znm Vorbild, den genialen littera-rischen Tonknnstler der Sturm- und Drangperiode, der nur geradeuicht Plastisch uud objektiv war.
Laubes rechte Zeit ging doch erst an, als er (1849) Direktorder ersten deutschen Bühne, des Wiener Burgthcaters, gewordenwar. Hier hat er (bis 1867) das Dogma der jungen Schule