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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Gutzkowö Anfnngc,

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Lucinde". Es gab dem längst gereizten und mm durch neueJournal-pläne Gutzkows beunruhigten Menzel Gelegenheil zu seinem großenSchlag: zu den durch zwei ganze Nummern seines Litteratur-blattes (11. und 14. September 1835) gehenden wilden Anklagengegen Buch und Autor; es gab dem Bundestag Gelegenheit znseinem herodischen Beschluß, auch die uugeboreneu Kinder der jung-deutschen Schriftsteller zu töten und sie selbst (samt ihren Ver-legern) zu ächten. Gutzkow selbst mußte seiueVerächtlichmachungdes Glaubens der christlichen Neligionsgesellschaften" mit dreiMonaten Haft in Mannheim büßen. Sobald er frei ward, be-gründete er seinen Hausstand und nahm zugleich in der geistigenWelt von neuem Stellung mit seiner merkwürdigen SchriftÜberGoethe im Wendepunkte zweier Jahrhunderte" (1336). Nach Wien -bargs Vorlesungen ist es das zweite Programmbuch der Schule.Über Goethe lehrt es wenig Neues. In Allgemeinheiten befangen,fällt Gutzkow , um nur ja originell und selbständig zu sein, die er-staunlichsten Fehlurteile über den Dichter, seinen Stil, seine Sprache:aber die Bestimmtheit imponierte, und in meinem Exemplar hatder Vorbcsitzer sich die Deduktionen über Talent und Genie be-sonders angemerkt Deduktionen wie diese:Talent ist FormGenie Stoff". Ist aber aus der Schrift weder für Goethe nochfür die Poetik viel zu lernen, so dafür um fo mehr für deu Verfasserund seine Genossen. Er sagt von sich selbst:Die Andacht vorgroßen Männern ist mir nicht angeboren; ich muß mich erst durcheine vernünftige Überlegung uud eiue Vergleichuug mit meinerSchwäche in sie versetzen." Er meint sogar, aller Psychologie zumTrotz:In guten und bescheidenen Seelen ist schon die Anbetungeine Pein" so weit war man abgekommen von dem Geniekultusder Rahel oder der Bettina, die doch sonst für das Junge Deutsch-land Heilige waren! Das Bedürfnis, eine neue Welt anzusaugen,Goethe uud alle früheren Größen alsüberwunden" anzusehen, dasist das herrschende. Die neuen Ideen galt es zur Herrschaft zubringen, auf die kam es an; mehr noch als dem DramaturgenLaube oder dem Ästhetiker Mundt war die Form für Gutzkow Nebensache.

Erschreckend tritt diese Formlosigkeit schon in dem satirischenRomanBlasedow und seine Söhne" (1838) hervor, der einemEinfall in JmmermanusEpigonen" seine Entstehung verdankt.Die Tendenz war lobenswert: gegen das Abrichten ans einen