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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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1830-1840,

speciellen Beruf spielte Gutzkow die allgemeine Ausbildung der Indi-vidualität aus. Aber statt lebendiger Gestalten schafft er nur hohlePuppen, die ihn bald selbst langweilen, und hier schon verwildertGutzkows Sprache zu Wendungen wievon einem berühmten,mehrmals gesessenen und endlich gehängten Spitzbuben", zu ver-unglückten Bilderhäusungen wie:aus einer klaffenden Wuudeeinen ganzen Glockenwald von Hyacinthen hervorklingen und duftenlassen". Stil und Bildersncht wirken zusammen, um Geschmack-losigkeiten zu zeitigen wie folgende:

Auch Schande jener Lyrik, die sich mit den Muränen vergleichen läßt,welche die alten Römer anälten, nm sich an dem Farbenspicl ihrer Zuckungenzu ergötzen, oder die sich wohl gar selbst quälen, um originell zu sein . . .Blickt sie uns wie das erstorbene Auge der Auster an, die sich in demGallert ihrer Empfindungen wälzt, so werden die Kenner und Feinschmecker,die eine solche vornehme Dichtkunst genießen, immer noch erst die Citronen-säurc ihrer raffinierten Beigeschmäcke darauf tröpfeln lassen müssen, umeinen Mischgeschmack zu haben.

So durfte damals einsühreuder Schriftsteller" uudmaß-gebender Kritiker" schreiben und Nur klagen über das Deutschder heutigen Schriftsteller! Die geistreichelnde Bilderjagd hatteGutzkow von seinem Lehrer Wolsgang Menzel (und dieser von seinemAbgott Jean Panl) geerbt; der schrieb auch:Die Gelehrten sind dieSchweinsborsten an der großen Kleiderbürste der Weltkultur".Aber er bildete dabei doch wenigstens richtige Sätze; Gutzkow istder erste deutsche Schriftsteller, der sich grobe Sprachfehler ausNachlässigkeit und Hast zu Schulden kommen ließ. Später hater dann in seinen großen Romanen die Verhöhnung der deutschenSprache aus die Spitze getrieben und Sätze gebaut, in deren kreuzund quer übereiuaudergeschobenen Mauern uud Höfen voll schieferFenster und unerwarteter Hindernisse man hilflos nach einem Aus-gang sucht. Aber die Kritiker rühmten ihm einen glänzenden Stilnach, und fast bis zum Schluß blieb diesem großen Sprachverderberdas Recht, über den Stil Anderer und Besserer als unfehlbarerRichter zu urteilen.

Er greift in die politischen Fehden ein, schreibt schlechte Epi-gramme gegen Heine und eine wirksame Flugschrift gegen Görrcs.Bei einem Aufcuthalt in Paris geht ihm die große Wirksamkeitder Schaubühne, als politische Anstalt betrachtet, auf. SeineBriefeaus Paris" (1842) entsetzen sich über die Natürlichkeit im ^KMtrell-Än^ais, die Laube entzückt hätte; aber viel länger verweilen sie