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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Gutzkows Dramen. 225

bei der Aufmerksamkeit des Publikums für jede politische Anspielungund jedeschöne Stelle". Vor seiner Abreise hat er ein Gesprächmit Guizot ; da meint er, der Staat sollte die Theater mit der-selben Aufmersamkeit behandeln, mit der er für das Interesse derKirche sorgt. So hatte ja schon Lessing die Bühne zu seinerKanzel, gemacht; seitdem aber hatte die vielgepriesene Form des Romansjedes andere Mittel der Ansprache an das Publikum in den Hinter-grund geschoben. Gutzkow idem Laube mit denKarlsschülern"darin folgte) entdeckte die politische Verwendbarkeit des Dramasgleichsam von neuem. Er hatte früher Lesedramen geschrieben wiejeder deutsche Dichter, der etwas auf sich halt, besonders einenNero" (1835) Programmmusik von unbegreiflicher Abgeschmackt-heit. Jetzt wirft er sich auf das zugkräftige Theaterstück, und einestattliche Reihe von Dramen folgt, die dann erst später wieder durchdie Romane abgelöst werden. Die bürgerliche TragödieRichardSavage " (1839) eröffnet die Reihe, es schließen sich anWerneroder Herz und Welt" (1840),Zopf und Schwert" (1844),DasUrbild des Tartüff " (1847),Uriel Acosta" (1847),Der Königs-leutnant" (1852) und fünfzehn weitere Dramen in dem Zeiträumevon 18391856, also jährlich mehr als ein Theaterstück. DieWirkung war ungleich.Uriel Aeosta" hatte einen mächtigenErfolg uud veranlaßte auch Gutzkows Berufung als Drama-turg nach Dresden . Diese Stellung blieb eine Episode in seinemLeben uud trug nur dazu bei, die große Zahl seiner Feinde znvermehren. Gustav Freytag erzählt, wie der Dresdner Dramaturgihn empfing, steif, in dienstlicher Haltung, den Daumen am Rock-kragen; über seine Abwehr jeder neuen Kraft hatten sich noch anderezu beklagen. Man kann auch nicht einmal behaupten, daß dieseThätigkeit seiner dramatischen Produktion zu gute gekommen wäre.Seine wirksamsten Stücke fallen vor jene Berufung, in die Zeitunmittelbar uach seinen Pariser Reisen (1842 und 1846). Diefranzösische Technik ist das Neue in ihnen: erstens das Geschick,ein paar dankbare Scenen sorgsam vorzubereiten, wie den Bann undden Widerruf imAcosta", die indirekte Unterredung zwischen, demKönig und dem Ritter Hotham inZopf und Schwert", den Wut-ausbruch Molieres imUrbild" zweitens die Gewandtheit, mitder historische Situationen in den Dienst der Tagesinteressen ge-stellt werden. Beides hatten wir schon besessen, aber wieder eingebüßt,jetzt kam es wieder und ward dnrch einen lebendigeren, wahrschein-

Mcyer, Litteratur. 15