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1830-1840.
licheren Dialog gefördert, als Norddeutschland seit lange gehörthatte? in Österreich hatte Bauernfeld schon Besseres geboten. Hierpflegte Gutzkow die Rede und feilte sorgfältig. Stillofigleitenkamen vor, wie Friedrich Wilhelms I. fenilletonistische Rede überdie Bedeutung des Zopfes oder gar des Wuuderkindes Goethe un-reife Ahnungen; aber gegen all die jambischen Stelzenparaden warder Fortschritt nicht zu verkennen. Und vor allem: wie geschickthat Gutzkow den Franzosen den Effekt der „politischen Anspielungen'und schönen Stellen" abgelernt! Wenn Friedrich Wilhelm I. sagt:„Da können wir noch lange laufen, bis wir dahin angekommensind, wo schon jetzt die Engländer stehen" und „Bewegung? Diewird sich in Österreich noch halten lassen!", dann klatschte gewißdas ganze Parterre. Wenn Moliere schrie: „In der Poesie sncheich eine Waffe zu finden für den Kampf der Aufklärung gegen dieLüge!", weun Acosta sprach:
Ins Allgemeine möcht' ich gerne tauchen
Und mit dem großen Strom des Lebens gehn!
oder wenn der reiche Skeptiker Manasfe den frommen Arzt Silva
fragte:
Ihr liebt doch selbst die Priester nicht von Herzen —Wie ist es möglich, orthodox zn sein? —
dann fühlten all die jungen Dichter und Halbdichter, Aufklärer undLiberale im Theater ihr eigenes Bekenntnis ausgesprochen und warenglücklich. Heut wirkt das alles anders. Die Reden Nathans undPosas, Fansts Glaubensbekenntnis und der Schluß des „Traumesein Leben" ergreifen uns noch heut als Herzensoffenbarungen ihrerZeit: dasselbe Bedürfnis, das die Gestalten schuf, zwang ihnen ihrBekenntnis auf die Lippen. Bei Gutzkow fühlen wir die AbsichtAcosta ist uoch am ersten aus Gutzkows Seele hervorgegangen, unddurch seine eigenen Herzschläge hat diese Figur einige Wahrheit;die anderen sind nur Briefträger, die die Bestellungen des Autorsbeim Publikum abzugeben haben. „Zopf und Schwert" ist päda-gogisch-satirisch wie „Blasedow": über dem einseitig militärischenStaat soll „ein milderer Geist wehen, Künste und Wissenschaftenwerden den Ruhm der Kugeln und Kanonen überflügeln". Aberdieser Gedanke verkörpert sich nicht in Figuren von typischer Lebens-wahrheit; sondern eine grob karikierende Schilderung eines un-möglichen Soldatenkönigtnms wird plötzlich mit einer begeistertenRede des Erbprinzen von Bayreuth dekoriert, dem mau von seiner