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1830—1840,
gedeckt. Übersetzungen und Nachahmungen jagten sich: „In einemJahre (1844) brachte der deutsche Büchermarkt bäudereiche Roman-werke über die Geheimnisse von Berlin , Hambnrg, Königsberg,Petersburg, London , Brüssel ?c.", sagt Mielke. Jener Nebentriebdes Jungen Deutschlands, den Sternberg und Willkomm besonderscharakteristisch vertreten, wird ganz von dem Zeichen Sues beherrscht.Aber auch in der Gruppe selbst hat er Epoche gemacht: GutzkowsZeitromane sind wesentlich Anpassungen dieses Musters an deutscheVerhältnisse.
Jene Richtung auf ein breites Nebeneinander lag, wie wirschon betonten, im Geist der Zeit. Ethnographische Wanderbilderstellten der alte Steffens („Die Familien Walseth und Leith"1826—1827) und der junge Stieglitz („Bilder des Orients"1831—1833) zusammen, und die geistreiche symbolische Zusam-menstellung von Fichtenbaum und Palme ging von Heine zuAnastasius Grün , zn Gntzkow, zu Freiligrath über. Das socialeNebeneinander hatte Nestroy („Zu ebener Erde und im erstenStock" 1335) mit unerhörtem Erfolg sinnfällig vor die Augen ge-stellt, um anderer zu geschweigen. Diese Tendenz der Zeit nunfing Gntzkow begierig auf. Man hat ihm vorgeworfen, er habeimmer auf der Lauer gelegen, um den Geschmack des Publikumsnicht zu verfehlen, und seiue kritische Thätigkeit besonders währendder Redaktion der (übrigens vortrefflich geleiteten) „Unterhaltungenam hänslichen Herd" (1852—62) macht wirklich oft den Eindruck,als seien die besprochenen Schriften ihm nur Wiudfahuen, ausdcneu er die Stimmung des Publikums ablesen will. In der Regelmachte aber doch ein so lebhafter, unruhiger, empfänglicher Geistdie Strömungen der Zeit wirklich mit, und der Übergang von derengen Fabel der Novellen zu der Breite eines Zeitromans entsprachanch seiner eigenen Entwickelung. Deshalb konnte er in der Vor-rede zn den „Rittern vom Geist" aus der neuen Mode gleich einästhetisches Gesetz machen. Er erklärte den „Roman des Nebenein-ander" sür einen realistischen Fortschritt, weil das bloße Nachein-ander mit Unrecht „die im Durchschnitt erstaunlich harmloseMenschenexistenz gerade auf einem Punkte so viel Effekte der Unter-haltung sammeln, alle Bedingung zu einem einzigen behandeltenkleinen Stoss so zuspitzen" lasse. Aber in Wirklichkeit herrscht auch hierder Wille über den Intellekt: nicht eine ästhetische Erkenntnis,sondern die naive Freude der Zeit an der Fülle der Erscheinungen