ZZg 1830—1840.
den geheimnisvollen Findling, den Überall und Nirgends aus derGesellschaft Jesu , die eiskalte, zu allem fähige Intrigantin. Danebenhat er breit und wirksam die Satire auf heimische Zustände ein-gewoben: Friedrich Wilhelm IV., der General von Radowitz (als„Volant von der Hahnenfeder"), Friedrich Rohmer (als „GuidoStromer") und andere Figuren werden, nicht immer ähnlich, aberimmer kenntlich, porträtiert. Vergnügungslokale der Residenz werdenso genau wie bei dem Franzosen aufgenommen, das neuerdingswieder in Mode gekommene „Hinterhaus" wird sehr anschaulichnach der Natur vorgeführt mit seinen dunkeln Treppen unddünnen Zwischenwänden. Fragt man aber, ob der Romananch als Zeitgemälde zuverlässig sei, so wird man doch mit demKopfe schütteln müssen. Gewiß werden einzelne Züge vortrefflichwiedergegeben: die Mischung von rein weltlicher und litterarisch-ästhetischer Ambition unter den Damen der „gnten Gesellschaft"(wobei Jda Hahn-Hahn als Modell benutzt ist), die unklaren poli-tischeu Vorstellungen der aristokratisch-liberalen und der demokratisch-exklusiven Jugend, das Glück der politisierenden Intriganten.Figuren wie Schlurk in seinem „glänzenden Elend" oder die Pfarrers-familie haben typische Wahrheit. Aber in der Gesamtfärbnng über-wiegt doch das „Romanhafte" viel zn stark: der Einfluß des krimi-nellen Verbrechens wird überschätzt, die interessanten Mörder undEhebrecherinnen sitzen zu dicht aufeinander, die Begegnuugen, Er-kennungen und Verkennungen wirken hier, wo so viel Raum zumVerfehlen ist, noch erstaunlicher als in der engen Bahn des „Ro-mans des Nacheinander". Das Einfache, das Beharrende, dasSchlicht-Großartige fehlt in diesem Zeitgemälde so völlig wie nurirgend bei einem Romantiker. Erst Gustav Freytag sollte dieseSeite des modernen Lebens, die wahrlich nicht die schlechteste ist,zn Ehren bringen. Dafür aber sind anch geistreiche Gespräche undwichtige Bemerkungen kaum weniger häusig als bei den Roman-tikern, und manche Scene ist von packender Wahrheit; so die, indenen das Königspaar auftritt.
„Der Zauberer von Rom" stellt sich ein noch größeresThema. Schon früher hatte Gutzkow in den „Öffentlichen Charak-teren" (1835) eine Anzahl von Repräsentanten des politischen Lebensgeschildert, in den „Zeitgenossen" (später „Säkutarbilder" genannt,1837) die typischen Züge des öffentlichen und Privaten Lebens inder ganzen Kulturwelt darzustellen versucht. Er will nun von