Rückblick,
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kosmus hervorblühen zu lassen. Von Grabbe und Lcnau, die dochstarke Talente waren, sinkt diese Tendenz zu Gutzkow und der GräfinHahn, von Feuerbach zu Friedrich Rohmer herab; nnd doch dienenselbst die Karikaturen in der Ökonomie der Weltgeschichte ihremZweck und erhalten die Forderung einer starken Persönlichkeit, einesnnbeirrten künstlerischen Eigenwillens für die Zeiten lebendig, in denenFriedrich Hebbel und Richard Wagner sie sich aneignen sollten.
In der Mitte dieses Zeitraums, den Goethes Tod (1832) ein-weiht und Friedrich Wilhelms IV . Thronbesteigung (1840) abschließt,stehen zwei litterarische Ereignisse von welthistorischer Bedeutung(1835): Wolfgang Menzels Denunziation des Jungen Deutschland —und D. Fr. Strauß' „Leben Jesu". Durch jene schlechte That wardder Zionswüchter von Stuttgart zu den großen „Helfern der Ver-leugnung", wie Ibsen Kam, Judas , Julian den Apostaten nennt: erbelebte durch seinen Widerspruch, durch seine feindliche That dasneue Geschlecht, das neue Evangelium. Er schmiedete getrennte,feindliche Persönlichkeiten zu einer Gemeinschaft zusammen, die durchihre gegenseitigen Gehässigkeiten nicht mehr aufgehoben werden konnte;und er machte den Kampf für die neuen Güter zum Programmaller aufstrebenden Kräfte. Strauß aber eroberte dem neuen Geistdas letzte bisher ihm verschlossene Gebiet: auch die Tempeldomäneder Bibelforschnng wurde dem Geift zugänglich, der nicht um be-stimmter fester Dogmen willen, sondern aus der Freude an denErscheinungen selbst forscht, schaut, darstellt.
Nicht Geringes haben die jungen Talente diesem Jahrzehntgeschenkt: den „Maler Nolten" und den „Savonarola ", DramenGrabbes, Gedichte Lenans und Mörikes vor allem. Aber dasBeste gaben dieser Zeit noch die alten Meister. Goethe selbst schenktejetzt erst der Nation und der Welt das Wunderwerk seines zweitenFaust und wie der tote Eid stand er damit Plötzlich als der geboreneFührer unter den Jüngsten: wo wird die Religion dieser Tage, dieFreude an der bunten Pracht der Welt, großartiger gefeiert alshier? Wie sich am Schluß der „Helena" der Chor auflöst in dieNatur, „in dieser tausend Äste Flüsterzittern, Säuselschweben",„an dieser Felsenwände weithin leuchtend glattem Spiegel", sich insanfte Wellen wandelt und aufgeht in die Früchte des Weinstocks— da hat die Andacht dieser scheinbar glaubensarmen Zeit so herr-lich mythologischen Ausdruck gefunden, wie nnr je die einer gläu-bigen Urzeit.
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