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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Erneuerung der Litteratur.

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sried Keller, Theodor Storm , Theodor Fontäne; um sie ClausGroth, Louise von Franxois, Wilhelm Jordan .

Drei Jahre, die an bedeutenden Autoren so reich wären wie181318171819 findet man wohl in der ganzen Geschichte derdeutschen Litteratur nicht so nahe benachbart, und kaum könnenauch nur einzelne Jahre wie 1798, 1802 es mit ihnen ausnehmen.Dann solgt noch 1821 ein reicher Asteroidenschwarm, der abermindestens für die deutsche Poesie keinen einzigen Namen von derBedentung der Hebbel, Storm, Keller bringt. Und dann richtetsich alles wieder zu stiller Ruhe, als sei die litterarische Urkrafterschöpft, überanstrengt, und lange, lange dauert es, bis auch nurein Lustrum so viel solcher Namen bietet wie jene drei großenJahre jedes für sich!

Berthold Auerbach (18121882) aus Nordstetten imwürttembergischen Schwarzwald ist die leibhafte Verkörperung jenesBedürfnisses nach unmittelbarer, greifbarer Wirksamkeit, das diesenZeitraum kennzeichnet. Durch und durch ist er einemündlicheNatur", und immer muß man dies im Auge behalten, wenn manihn richtig beurteilen will. Der kleine rundliche Herr mit denfrischen Angen in dem vollen, von weißem Haar bedeckten Gesichtwar ein leidenschaftlicher Sprecher, aber auch ein williger uud dank-barer Zuhörer. Das Wort hatte für ihn ganz andere Bedentungals für uns verschlossene Deutsche von heut; es war ihm etwasLebendiges, ein Fund, ein Geschenk. Man lachte wohl (heimlich;denn ins Gesicht konnte niemand dieser siegreichen Gutherzigkeitlachen), wenn er nach so einemguten Wort" sich triumphierendumsah oder wohl gar gnädig hinzufügte:Ich schenke es Jhnen^;aber gerade in dieser Vorstellung von dem eigenen Wert eines glück-lichen Ausdrucks begegnete sich der Sohn der jüdischen Landbauernmit den alten Germanen der Urzeit, deren Sänger weise Lehrenwie Waren umhertrugen und deren Märchen von dem Wert ge-schenkter Sprüche zu meldeu wußten. Sobald ein Grasfink odereine Glockenblume ihm etwas Neues mitgeteilt hatten, mußte er esder Welt verkünden; und er durfte die schönen Worte schreiben:Alles Lebende erschien mir immer so neu als heilig". Deshalbhatte er immer etwas zu erzählen so viel, daß er kein guterErzähler blieb. Gleich war er mit seinen Figureu ans du und du:vertrauten ihm Barfüßele und Waldfried ihre Erlebnisse und Ge-danken an, so konnte er kein stummer Zuhörer bleiben und gab das