Druckschrift 
Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
266
Einzelbild herunterladen
 
  

266

I84018S0.

Stuck. Gegensätze birgt auch seine Seele; aber sie klingen harmonischzusammen, statt sich aufzuzehren, und so durste der Poet sich selbstcharakterisieren:

Das ist so recht Westsalenart:Fromm, sinnig, weich, nicht überzart,Zäh, treu, auch tropig, deutsche Leute;So waren sie, so sind sie heute.

Aus der Liebe zum angestammten Boden erwächst Webers ganzePoesie. Auch seine kampsbereite Religiosität wurzelt hier: er liebtdie katholische Kirche als die Kirche seiner Heimat, er befehdetLuther, weil er sein Deutschland in Stücken gerissen habe.

Weber ist kein Grübler; nicht bloß in der Lust an großenFnßreisen nach Wien, nach Rom und Neapel, nach Paris erinnertder Badearzt von Driburg , wo einst die von Bonifatius umgehaueneJrmensäule stand, an unseren tapferen, aber wenig philosophischenSeume. Sieht man das Gesicht, so erkennt man den Mann:feurige, aber treue Augen unter starken Brauen, eine kräftige Stirnunter prachtvoll aufgebäumtem weißen Haar nichts von demgenialen Habitus der falschen Grabbes. Um den schmalen, voneinem energischen, kurzen Schnurrbart bedeckten Mund ein schmerz-lich fragender Zug: feste Haltung, Selbstbeherrschung in der ganzenErscheinung und darunter lodernde Leidenschaflichkeit.

Derchristliche Weltschmerz" beherrscht Webers Gemüt.Nicht bloß die Zeit mit ihrer Nervosität und ihrer Geldgier, mitdem Kulturkampf und der Lockerung aller Sitten stimmt ihn trüb;viel allgemeinere Anklagen ertönen:der Menschen Geschichte istihre Schande";große Frevel sind zumeist die großen Thaten".Ein unheimliches Wirtshaus ist ihm die Welt, von wo wir eiligstin das bessere Heim Pilgern möchten. Während wir auf unserGlücksschiff" harren, fährt es leise vorbei:

Wir hatten zu lustig gesungen.Wir hatten zu laut gelacht. -

Nur tapfere Arbeit und Gottvertrauen kann diese Welt wohnlichmachen.

In diesen Gedichten (zuerst 1881 erschienen) steht Weberfür mich am höchsten. Eine geschlossene Weltanschauung bildetalle Erscheinungen individuell um und verleiht seinen Poesien etwas,was bei Gilm aller Bilderreichtum nicht ersetzen kann: einen per-sönlichen Stil. Dagegen ist seine Epik, die ihn berühmt gemacht