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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Friedrich Hebbel .

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beseelt, die bei Hebbel mehr indirekt hervortreten, jedoch keineswegsfehlen: das Bedürfnis nach Neuschöpfung deutscher Kunst und vorallem nach Reformicrung des deutschen Theaters aber teilen beide.Und sogar ihr Leben zeigt Ähnlichkeit im Gesamtverlauf. Beideneignete uebeu entschiedenstem Idealismus eine merkwürdig weltläufige,gewandte Art, sich zum Herrn der Situation zu machen, Gönnerzu gewinnen und zu behalten, ihr Lebensideal zu erzwingen eineGewandtheit, die dem dritten im Bnnde, Otto Ludwig , leider sovöllig abging. Wagner wie Hebbel verdanken es neben größerenEigenschaften auch diesem Talent, wenn ihre Lebensbahn nachbedrückenden Ansängen eine stark und stetig aufsteigende Rich-tung zeigt.

Friedrich Hebbel (geb. 13. März 1813) ist ein Sohn Schles-wig-Holsteins , einer der vielen bedeutenden Männer, die das stamm-verwandte, meerumschlungene Land damals zum Stolz Deutsch-lands hervorbrachte. Jenem Norderdithmarschen gehört er an, indem der alte friesische Neckentrotz eine innere zarte Empfindsamkeit,wie sie bei Klaus Groth am hellsten hervortritt, gegen die Außen-welt mit harter Schale zu umkleiden liebt. Hebbels Vater, ein ver-armter Maurermeister, war so, wie Meister Auton (inMaria Mag-dalene"), ein harter und starrer Pharisäer geworden, der in demLandflecken Wesselburen freudlos, ja freudenfeindlich saß, sich mitder asketische!? Erinnerung an früheren Wohlstand zu immer größererVerbitterung aufstachelte und in dem Stolz auf eine bis ins Anßerstegetriebene strenge Rechtlichkeit und Ehrlichkeit die einzige Entschädi-gung für alles, was die Welt ihm versagte, fand. Die gute Mutterkonnte den beiden Jungen dies düstere Heim nicht aufhellen. Mehr alsder Huuger, der sich auch wohl anmeldete, hat diese lichtlose Atmosphäreans die Seele des Knaben gedrückt und wie Herder hat er diese Einwir-kungen nie völlig überwunden. Das erste Gedicht, das einschlug, warBürgersLenore", mit seiner düstern, unheimlichenFärbung nnr zn gutin diese Gemütsstimmung passend und daher vom stärksten Eindruck:Wonne, Wehmut, Leben, Tod, alles auf einmal, ein Urgefühl."Sehr stark wirkte auch die Leidensgeschichte Christi ans das empfäng-liche Gemüt des Knaben; noch spät reflektiert sich der Eindruck indem Plan eines Christus-Dramas.

Vierzehnjährig kam der seiner Umgebung bewußt weit über-legene Knabe als Schreiber zu dem Kirchspielvogt. Ju noch ver-letzenderer Weise wiederholten sich die Erlebnisse seiner Kindheit.