278 1840—1850.
Der Vogt Mohr war, so scheint es, kein böser Mann, aber wieHebbels Vater erfüllt von einer harten, grausamen Abneigung gegenIllusionen: dem hochstehenden Gemüt die Niedrigkeit seiner äußerenLage sllhlbar zu machen, schien ihm wohl pädagogische Pflicht.Hebbel las mit Leidenschaft und datierte seine dichterische Erweckuugvon der Lektüre von Uhlands Ballade „Des Sängers Fluch ".Uns Heutigen erscheint sie keineswegs die Krone von Uhlands Ge-dichten (auch nicht das „Glück von Edenhall", das Hebbel später-am höchsten stellt), aber für die ringende Dichterseele ward geradedies Stück mit seiner typisierenden Charakterzeichnung, mit seinerMoralisierung einer rein anekdotischen Handlung, mit seiner nach-drücklichen Schlußpointe vorbildlich. Er schickt schon poetische Ar-beiten in Lokalblätter. Um so schroffer meint sein Vorgesetzter ihnin die gebührende Stellung herabzwingen zu müssen, an den Dienst-botentisch, unter das Gesinde. Ohnmächtig empört sich der Stolzdes jungen Dichters. Für ihn ist aber dies Erlebnis, die Verletzungdes idealen Gefühls, die Schändung des berechtigten Stolzes einMittelpunkt der dramatischen Schöpfung geworden.
Endlich kommt Rettung. Die unbedeutende Romanschrift-stellerin Amalie Schoppe (1791—1858) nimmt sich seiner an —wieder nicht, ohne ihn die Last ihrer Wohlthat zuweilen drückendempfinden zu lassen; dennoch Hütte Hebbel der gutmütigenFreundin, ohne deren Hilfe ihr genialer Landsmann vielleicht ver-sunken wäre, etwas mehr Dankbarkeit bewahren können, als erthat. Hebbel kommt vom Land in die Großstadt Hamburg (1835) — eine Notwendigkeit für ihn, der nach seinem späterenWort „Menschen verzehrte", für den anregender Umgang, die Be-obachtung verwickelter Kulturverhältnisse, die Möglichkeit direkterWirkung Lebensbedürfnis war.
In leidenschaftlicher Arbeit holte er nach, was ihm an wissen-schaftlicher Vorbildung fehlte uud studierte dann in Heidelberg undMünchen .
Hier fand er die Keime seiner meisten Werke, der „Judith",der „Maria Magdalene ", der „Genoveva", des „Diamanten". EinigeErzählungen führte er hier schon aus. „Anna" stammt bereitsaus Hamburg , nun folgte die vergebliche Humoreske „Schnock" undder „Schneidermeister Nepomuk Schlägel auf der Freudenjagd".Diese Gruppe ward später durch fünf weitere Erzählungen vervoll-ständigt. Unter dem Einfluß von Tiecks Auffassung der Novelle