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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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279
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hebbels Leben. 279

suchen sie alle in ihren paradoxen Wendungen dieunergründlichenVerschlingungen des Lebens" nachzubilden. Die Technik verbessertsich wohl von der losen Anekdotenkette desSchnock" bis zu derstrengen Geschlossenheit derKuh"; aber die Anlage bleibt immerdieselbe: ein einzelner Charakterzng (wie Schlägels Selbstanälerei)oder ein einzelnes Motiv (wie die Wirkung von Matteos Häßlich-keit) wird mit gehäuften Zügen bis ins Ungeheuerliche gesteigert.Die wirre Kunst der Durchführung erinnert beiMatteo" oder derKuh" an jene Anekdote von Lionardo da Vinci, der ein Garn-knäuel so kunstvoll gezeichnet haben soll, daß man den Faden vonAnfang bis zu Ende verfolgen konnte- viel Kunst und das Ganzedoch nur ein Knäuel!

Er reist nach Heidelberg, München, Stuttgart , kehrt (1839)uach Hamburg zurück und kommt auch zu Gutzkow in wechselndeBeziehungen, die schließlich doch in entschiedenste Feindschaft aus-laufen sollten. GutzkowsSaul" veranlaßt Hebbels erstes Drama:wie Lessing mitEmilia Galotti " den Corneille, wollte er mitJudith" eiue von ihm prinzipiell verworfene Auffassung desDramas praktisch widerlegen. Es wird (1840) in Berlin undHamburg aufgeführt uud erregt leidenschaftliche Diskussionen.In Wien parodiert es Nestroy mit triumphierendem Witz, anders-wo erweckte es Hoffnungen auf einenMessias der deutschenTragödie". Mit dem Selbstgefühl eines solchen tritt der gedrückteJüngling von ehemals nun auch theoretisch in der Vorrede zuGenoveva", dem gereimten Vorspiel zumDiamanten" (1841),der AuseinandersetzungMein Wort über das Drama" auf. KönigChristian VIII. stattet seinen Unterthan mit einem ansehnlichenReisestipendium aus. Zuerst zieht der Kulturpoet uach Paris ,wo sein ganzer Gesichtskreis eiue bedeutsame Erweiterung erfuhrund wo seine Anschauungen über die Kunst uud die Welt zu dauern-der Festigung gelangten; die ununterbrochenen lebhaften Gesprächemit einem gescheiten Mann von großer Bildung uud Welterfahrung,Felix Bamberg, der später sein Leben beschrieben und seine unschätz-baren Tagebücher und Briefe herausgegeben hat, mußten den Durch-bruch unklar ringender Vorstellungen wesentlich fördern. AlsStadt rief Paris in Hebbel nicht so lebhafte Eindrücke hervorwie Rom (1844).

Nach der Rückkehr nahm Hebbel (1845) in Wien seinendauernden Wohnsitz. Hier war ihm alles Glück gegönnt, das er er-