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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18401850,

sehneil konnte. Zwar blieb sein Verhältnis zu den eigentlichen Schrift-stellerkreisen der Stadt kühl: Grillparzer lehnte ihn ab, Halmwurde von Hebbel verachtet, Laube als intriganter Feind angesehen;auch mit Dingelstedt glückte keine dauernde Harmonie. Aber aus derGelehrtenwelt und derGesellschaft" bildete sich nach und nach umHebbel ein Kreis treuer Verehrer. Und siegreich breitete sich seinAnsehen über Deutschland aus; für die Jugend ward er bald einvielverehrter Prophet, so heftig auch die maßgebenden Kritiker wieWolfgang Menzel, Gutzkow , Auerbach ihn aus verschiedenen Mo-tiven bekämpften. Nur die verrufeneBerliner" Kritik bemühtesich verdienstvoll um das Verständnis seiner Werke, der hegelianischeKritiker Rötscher vor allem. Gleich sein Einzug in Wien warddurch eine sür den Geniekultus jener Epoche bezeichnende Sceneeröffnet. Zwei junge polnische Edelleute laden ihn zu sich einund nehmen ihn mit dem wildesten Enthusiasmus ans:Danngab's eine wilde Nacht, kostbares Essen, Fasanen uud Rebhühner,Champagner, Toaste auf den Knieen vor mir ausgebracht, undweil dritte Personen hinzukamen, fortwährendes leidenschaftlichesRecitieren uud Interpretieren der ,Juditb/ und der ,Genoveva"'.

Wichtiger als dies bedenkliche Anschwärmen war für denDichter die Hochachtung, die er gerade in den angesehensten Kreisender österreichischen Hauptstadt geuosz. Freilich trug neben seinervornehmen, von aller journalistischen Art uud Unart weit entferntenHaltung auch seine entschieden konservative Gesinnung und seineAbneigung gegen die revolutionäre Tendenzpoesie nicht wenig zudieser Gunst bei; war er doch der Sprecher einer Deputation, diein den Revolntioustagen dem Kaiser und den Erzherzogen dieGesinnungen derWohlgesinnten" ausdrücken sollte. Dasmeiste Glück aber erwuchs ihm aus seiner Ehe. Bald nach seinerAnkunft iu Wien hatte er sich mit der Schauspielerin ChristineEnghaus verheiratet. Es war keine blinde Liebe, die ihn bezwäng;zu aufrichtiger Zuneigung trat die Empfindung, daß mir dieserSchritt ihn retten könne. Mit grausamer Energie löste er einVerhältnis, das ihn lange Jahre, seit den ersten Hamburger Tagen,an ein armes, gutes Mädchen, Elise Lensing , gefesselt hatte; dieKinder aus dieser freien Verbindung waren freilich beide tot.JedesOpfer darf man bringen", schrieb er an Bamberg ,nur nicht daseines ganzen Lebens, wenn dies Leben einen Zweck hat außer dem,zu Ende geführt zn werden." Er lengnet ein andermal, daß irgend