Hcbbcls Persönlichkeit,
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eine Verpflichtung gelten könne, die der höchsten Pflicht des Künstlerswiderstreitet. Gewiß kann man anders urteilen, aber bei einerNatur von dem eisernen Zusammenschluß Hebbels war die Moral,die er entwickelte, nichts anderes als ein Motivieren innererNotwendigkeit. „Große Menschen", schrieb er in sein Tagebuch,„werden immer Egoisten heißen. Ihr Ich verschlingt alle anderenIndividualitäten, die ihm nahe kommen, und diese halten nun dasNatürliche uud Unvermeidliche, das einfach aus dem Kraftverhältnishervorgeht, für Absicht." Seine Naivetät geht dabei so weit, daßer Elisen heftig zürnt, weil sie ihn nicht freigeben will. Das armeOpfer war zu beklagen; was aber Hebbel thun konnte, um seinenSchritt durch sein ganzes Leben zu rechtfertigen, das hat er gethan.Der Mann, der wild und oft wüst durch das Leben gestürmt war,ward ein von Dankbarkeit und zärtlicher Sorge überströmenderGatte, der rührend liebevolle Vater seines Töchterchens, in demstillen Frieden seiner Wohnung und dem ländlichen Behagen einesLandsitzes bei Gmunden ein glücklicher Mensch, der mit seinem Eich-kätzchen und seinen Vögeln idyllisch spielte und mehr nnd mehr sich„vor der Welt ohne Haß verschloß". Herzlich und rührend schreibter an seinen Biographen Emil Kuh :
Wenn ich des Morgens erwache nnd den ersten Lant meiner Fran undmeines Kindes vernehme, so kann ich mich freuen, daß mir die Thränenins Ange treten; wenn ich meine Schale Kaffee trinke, sv habe ich einengrüßen Genuß, wenn ich meinen Spaziergang mache, so hab' ich ein Ge-fühl, als ob ich allein Beine hätte .... Dabei komme ich mir gar nichtgenügsam und demütig vor, sondern ich fühle mich überschwenglich mitallem, was ich als Mensch verlangen kann, gesegnet und ich habe auchalle Ursache dazu, denn ich habe eine Frau, in der Gemüt nnd Seele fastverlciblicht sind, ich habe ein Kind, das sich aufs liebenswürdigste ent-wickelt, ich habe Freunde in allen Kreisen und ich brauche nicht ängstlichmehr für die Zukunft zu sorgen.
Dazu kamen Auszeichnungen von allen Seiten, besonders seitder Aufführung der „Nibelungen " (1861); sie brachte ihm auchden Schillerpreis, den der Dichter, schon auf dem Sterbelager, mitden melancholischen Worten begrüßte: „Das ist Menschenlos: baldfehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher". Besonders mußtees den treuen Verehrer der Klassiker erfreuen, daß der Großherzogvon Weimar ihn als ihren Nachfolger in seine Musenstadt zu zieheusuchte. Nach so stolzen Erfolgen, zufrieden uud hoffend, starb Hebbel am 13. Dezember 1863; der angefangene „Demetrius" blieb wie derseines großen Vorgängers unvollendet am Bett des Toten liegen.