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1850—1860,
man die vielversprechenden Regungen des jungen Realismus kaumbeachtete. Fast heimlich erwuchs neben Jordans ausgedonnerterUnkunst Otto Ludwig, nebeu Schacks buuter Versifikation Fontane ,neben Bodenstedts breitem Reimspiel Gottsried Keller. Wenn je,war damals eine Übergangszeit. Solitaire schildert (1858) denKampf des Alten und Neuen mit Worten, die vor kurzem erst genauauf unsere Zeit anwendbar gewesen wären:
Noch ist der Durchgangs-, der Modifikationsprozeß nicht vollendet, undes lassen sich die Nuancen der nencn Gestaltungen noch nicht absehen . . .Daher das Schwüle, das Unbehagliche in den Verhältnissen wie in derStimmung des Einzelnen; das Verzerrte, daS wahnsinnig, das kindisch Übereilte, das unbestimmt rastlos Suchende, sich ziellos Abquälende nnd Ab-mühende : daher das höhnisch Genießende und im höhnischen Genuß bübischPrahlende und Triumphierende: daher die verödete, lieblose Übersättigung,die teuflisch raffinierte Genußsucht. . .
Er malt mit grellen Farben, aber — er malt die Zeit Napo-leons III. Das ist der typische Repräsentant der Zeit. Ein Aben-teurer, der zum Diktator der Welt wurde, nicht durch sein Genie,wie der erste Napoleon, sondern lediglich durch die Erbärmlichkeitder Verhältnisse, unter deren Last Preußen zu der schmachvollenNiederlage von Olmütz gedrängt wurde, diesem Triumph derStaatskunst alter Schule über den neuen Völkergeist. Seit denTagen des koi Lolsil war Paris nicht so wie jetzt die Hauptstadtder Welt gewesen. Jacques Offenbach (1819—1880) macht dieMusik zu den Orgien, in denen sich Hof und Bourgeoisie gefallen— aber in der Pariser Nationalbibliothek sitzt gleichzeitig, voneinem besonderen Wachtposten vor der Zudringlichkeit der Neu-gierigen während der Weltausstellung geschützt, Ernst Renan undarbeitet an seinen merkwürdigen Werken. Die Goncourts, Flaubert ,Zola, der große Karikaturist Gavarni und fremde Gäste wie Tur-genjew versammeln sich in regelmäßigen Symposien, und die geist-vollsten Meinungen, die interessantesten Urteile werden ausgetauscht;ein paar Schritt davon aber drängt sich ganz Paris dahin, wo zuungeheueren Preisen in einem kleinen Theater die berühmte Mai-tresse eines kaiserlichen Prinzen ihre ganze Schamlosigkeit entfaltet.Eine Kokottenwirtschaft, wie sie sich seit den Tagen des römischenVerfalls nicht breit gemacht hatte, und daneben vermitteln Renan ,Taine, auch Michelet den folgenreichen Einflnß deutscher Wissen-schaft auf Frankreich . Abenteurergenerale wie Samt Arnaud, vordenen man keinen Hnndertfrankschein aus dem Tisch liegen lassen