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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Eplgvnentum.

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durfte, und der asketische Kunstidealismus eiues Flaubert; in denKrinolinen und Chiguons der höchste Triumph moderner Ge-schmacklosigkeit, und in den Ateliers die ersten Regungen einerneuen Ästhetik, Courbet (18191877) und Zolas Schützling Manet (18321883); in den Weltausstellungen die gröbste Häufung un-verträglicher Effekte, und bei Liebhabern wie den Goncourts dieerste systematische Sammlung und Würdigung der feinsten Kunstdes Orients. Überall ein schreiendes Nebeneinander, nirgends einemächtig dominierende Tendenz, nirgends auch eine mächtig domi-nierende Persönlichkeit.

So ist es in Paris ; so ist es überall. Auch bei uns ohneVermittelung, ohne Verdrängung durch eine herrschende Tendenznebeneinander das Veraltete und das Unreife Schwächlichkeitaus Alter und Schwächlichkeit aus Jugend. Im Anfang diesesZeitraums (19. März 1850) stirbt erst der letzte namhafte Mann,der noch einen Zopf trug, der Kapellmeister Gyrowetz (17631850);an ihrem Ende proklamiert Darwin die neue Weltauschauung.

Diesem allgemeinen Zuschnitt der deutschen Litteratur undmehr noch des Publikums und der Kritik entspricht vor allem diestarke Gruppe mäßiger Taleute, die es durch fleißigen Ausbauälterer Tendeuzen zu einem gewissen Ansehen oder bis zur Be-rühmtheit brachten.

Ein Spätling der schwäbischen Schule, weun auch durchausnicht ohne modernere Eigenheiten, ist der treffliche I. G. Fischer(1816 1896). Wie Uhland und Pfizer vereinigte er Natur-kultus und politische Dichtung; aber wenn auch das GedichtNureilten Mann aus Millionen!" (1849 geschrieben, aber erst 1865veröffentlicht) dem Bedürfnis der Zeit kräftigen Ausdruck verliehund Bismarck vorverkündete feiue Hauptbedeutung liegt dochim Naturgefllhl. Die individuelle Stimme der Natur lernte erauf dem Land unterscheiden; wo andere Dichter ganz allgemeinvomGesang der Vögel" reden, da weiß er Fink uud Pirol, Lercheund Schwalbe zu individualisieren. Gerade als Fischer die reifsteund beste Sammlung seiner Gedichte herausgab (1854), schriebMatthias Schleiden (18041881), der geistvolle Bahnbrecherder Zellentheorie, in seinen anregendenStudien" (1855):Beiweitem die meisten Menschen wissen von Vogelgesang doch garnichts und lauschen offenbar mit blödem Ohr in die Natnr hinaus."Die gleiche Klage sprach Wilhelm Jordan aus. Aber Fischer

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