„Der Trompeter von Säkkingen". 529
die herkömmliche Technik des „romantischen Epos" mit seinen auto-biographischen Momenten (wie in Werners Bericht über sein Nechts-studium). Die Lieder erheben sich nicht allzu hoch über denDurchschnitt der damaligen Lyrik, wenigstens die der Liebenden,während die tiefere Reflexionsdichtung des Katers und des stillenManns ein wenig ans dem Stil des Ganzen herausfällt. Dieüblichen Typen: der milde Kirchenfürst, der verfehlte Künstler alsFolie des rechten, die gute alte Dame sind anspruchslos nnd an-mutig hingezeichnet, und die Hanskapelle oder die mit ein paarStrichen hingeworfenen Figuren aus der Prozession in St. Peterübertreffen sogar das Übliche.
Vor allem aber: Scheffel war der geborene Erzähler fürengere Kreise. Wie ihn Anton von Werner gezeichnet hat: mit leb-hafter Bewegung der rechten Hand aus dem von der linken vordie Augen gehaltenen Buch vorleseud, so müssen wir ihn uns immerdenken. So erwuchs er in den archaistischen Spielereien des „Engeren"deren von Häusser eingeführte Art er für seine Episteln immer ge-liebt hat, zum Dichter. Daher diese unglaublich bequeme Verstechnik,deren Lässigkeit Mauthner köstlich mit seinem neuen Anfangsversparodiert hat:
'ktober war's und gutes Weinjahr —die sich aber ebenso zwanglos in die ernsteste Stimmung hineinzu-finden weiß wie in die heiterste. Viel mehr als Jordan ist Scheffelauf das Vorlesen angelegt. Man sühlt sich bei ihm zu Hause;man ist der Gast eines liebenswürdigen Erzählers, der uns anspruchs-los verträgt, was er von dem Trompeter und seinen Schicksalenweiß, ohne allzn viel Objektivität oder sonstige Kunststrenge; er machtsich's bequem, und wir fühlen uns behaglich. Diese Empfindungder Leichtigkeit war etwas wert in einer Zeit, da noch immer„Titänchen" sich an allzu schweren Aufgaben zu verheben fort-fuhren; aber freilich kam sie auch bedenklich dem Zeitgeschmack, demErholnngsbedürfnis der müde gehetzten Zeitgenossen entgegen. Wieder sehr ernste Kampf der Hauensteiner zum fast harmlosen Rummelsumgedichtet wird, das hat fast symbolische Bedeutung: die Zeitwollte eben Leichtes, wollte Lebensfreude, Mirza Schaffy ; der Ernstdnrfte uur den Katern und den Höhlenmenschen zum wirksamen 'Kontrast beigelegt werden.
War hier Scheffels Erfolg sowohl in seiner Virtuosität wie auchin der Schwäche der Zeit begründet, so gereicht ein anderer Punkt
Meyer, Litteratur. 34